Meine Pubertät als Aromantikerin

Ein Erfahrungsbericht einer asexuellen Aromantikerin über das Heranwachsen ohne Interesse an romantischer Liebe und Sex.


Eines vorweg: Ich habe autistische Züge und war somit sowieso immer schon etwas anders als die anderen. Jedoch gab es in der Pubertät noch zusätzliche Schwierigkeiten, die ich als typisch für aromantische und asexuelle Menschen bezeichnen würde.


Als Grundschulkind war noch alles relativ normal für mich. Typische vorpubertäre Spielchen, wie z.B. mit meiner damals besten Freundin einen gleichaltrigen Jungen festzuhalten und zu küssen, habe ich mitgemacht und mir nichts Sexuelles oder Romantisches dabei gedacht, es war einfach nur Spaß.
Es ist wohl bei fast jedem Kind so, dass diese Dinge in dem Alter noch nichts zu bedeuten haben.
Schwierig wurde es erst gegen Ende der 5. Klasse. Eine Klassenkameradin erzählte mir, sie habe bereits einen Freund und auch schon Petting mit ihm gehabt. Ich weiß nicht, ob das wirklich so war oder ob sie das nur zu mir gesagt hat, um anzugeben. Jedenfalls war mir damals bewusst, dass sie für ihr Alter schon sehr frühreif war. Ich bin damals davon ausgegangen, dass es sich bei mir auch noch entwickeln wird, nur halt später. Das ganze Thema (also Liebe und Sex) erschien mir noch sehr weit entfernt. Aber ich habe mich damit nicht unter Druck setzen lassen, ich dachte, dass alles schon zu seiner Zeit kommen wird.


Im Alter von 12 Jahren lag ich mehrere Monate lang im Krankenhaus und habe während dieser Zeit gar nicht über solche Dinge nachgedacht. Danach kam ich automatisch wieder mehr mit dem Thema in Berührung. Viele meiner Freunde hatten in der Zwischenzeit schon eine oder mehrere Beziehungen hinter sich – ich hingegen nicht.

Als  ich 13 Jahre alt war, fing es langsam an, dass ich mich gefragt habe, ob es normal ist, dass ich anscheinend gar kein Bedürfnis nach einer romantischen Beziehung habe. Ich habe auch überlegt, ob es mit meiner Krankheit (chronisches Erschöpfungssyndrom und daraus resultierende kognitive und seelische Entwicklungsverzögerung) zusammenhängen könnte. In  meinem Innersten bin ich aber davon überzeugt, dass meine aromantische Orientierung nichts mit meiner Krankheit zu tun hat.


In dem Alter kannte ich einen Jungen, der sich eine Beziehung mit mir gewünscht hat. Ich mochte ihn und habe ihn anfangs fälschlicherweise ebenfalls für aromantisch gehalten, weshalb mich dieser Wunsch verwirrte. Nach meiner Absage war er nicht mehr so nett zu mir und hat mich auch einmal ohne Grund getreten, worüber ich mich sehr gewundert habe.

Ein paar Monate später hatte er eine Freundin, die aber kurz danach bereits Schluss machte.
Daraufhin hat er sich irgendwoher Alkohol besorgt und sich betrunken. Er erzählte, dass das für ihn in dem Moment die einzige Möglichkeit wäre, klarzukommen, weil er mit der Trennung nicht zurechtkam.

Ich konnte sein Verhalten gar nicht fassen und konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass Liebeskummer einen Menschen so sehr runterziehen kann. Aus dem Grund konnte ich ihm auch schlecht mein Mitgefühl zeigen, obwohl ich ihn mochte. Ich konnte seinen Liebeskummer einfach nicht nachempfinden.

Ich glaube, dass ich es mittlerweile könnte, weil ich sehr viel über dieses Thema gelesen habe.

Im Laufe der Zeit bemerkte ich, dass meine gleichaltrigen Freundinnen immer „komischer" wurden.
Sie haben sich vermehrt für schöne Kleidung, Schminke, Styling, bestimmte Verhaltensweisen und natürlich auch für Jungs oder Mädchen (ob jemand von ihnen lesbisch oder bisexuell ist, weiß ich nicht, weil ich mich nicht über diese Themen unterhalten habe) interessiert.
Unglücklicherweise dachte ich noch sehr lange Zeit, dass sie das nur machen, weil es angeblich normal ist, sich so zu verhalten. Ich habe wirklich gedacht, dass alle meine Freunde sowie auch mein Bruder ebenfalls asexuell und aromantisch sind. Diese Wörter kannte ich zwar damals noch nicht, aber ich habe so empfunden und dachte, dass es vollkommen normal wäre, so zu empfinden.

Während meine Freundinnen sich immer stärker veränderten, blieb ich ein „Kind“ – meine Mutter sagte mir später, dass ich mit 12 Jahren in meiner Entwicklung „stehengeblieben“ sei. Ich hatte daher den Ehrgeiz, auch wie die anderen zu werden, um nicht mehr als das „zurückgebliebene Kind“ angesehen zu werden. Doch das gelang mir nicht. Diese ganzen typisch pubertären Interessen haben mich einfach nur gelangweilt.
Ich verstehe bis heute nicht, was daran so spannend sein soll. Im Laufe der Zeit bekam ich immer größere Minderwertigkeitskomplexe. Zwar nicht nur wegen diesem Thema, doch es hatte einen großen Anteil daran, weil meine Verhaltensweisen nun mal nicht normal waren für jemanden, der sich in der Pubertät befindet.


Als dann mein jüngerer Bruder in die Pubertät kam, fühlte ich mich immer mehr wie ein Außenseiter. Mein Bruder erlebte während seiner Pubertät eine heftige Zeit, er hatte deshalb auch viel Streit mit unseren Eltern. Trotzdem sagten meine Eltern eines Tages zu mir, dass ihnen die Eskapaden meines Bruders immer noch lieber seien als das, was ich mache bzw. in dem Fall nicht mache. Ich hatte auch viel Stress mit meinem Bruder, weil er sich für mich geschämt hat.

Noch heute ist es mir unangenehm, wenn er mich fragt, ob ich in einer Partnerschaft bin. Ich greife dann meistens zu Notlügen. Vielleicht werde ich mich ihm gegenüber aber bald outen, da er mittlerweile ja auch reifer geworden ist.


Meine Freundinnen haben sich nach und nach immer mehr von mir abgewandt. Wir haben uns damals um Ponys gekümmert, die von ihren Besitzern vernachlässigt worden waren. Wir fanden diese Aufgabe sehr wichtig und sie hat uns auch Spaß gemacht. Doch im Laufe der Zeit bin ich oft alleine dort hingefahren, weil meine Freundinnen immer weniger Interesse an den Tieren zeigten. Sie hingegen wollten mich dazu überreden, mit ihnen in die Disco oder auf Partys zu kommen und mich „reifer“ und vor allem „mädchenhafter" zu verhalten, was ich aber immer abgelehnt habe.

Im Alter zwischen 14 und 15 zerbrachen diese Freundschaften nach und nach. Ob das an meinem autistischen Verhalten, an meiner chronischen Müdigkeit, an meiner Entwicklungsverzögerung oder an der Aromantik lag, weiß ich bis heute nicht. Ich vermute aber, dass es eine Kombination aus allem war.


Von früher kannte ich noch ein Mädchen, welches leicht geistig behindert ist, zu dem ich aber schon seit 5 Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Eines Tages haben sich unsere Mütter zufällig beim Einkaufen getroffen und ihre Mutter hat meiner Mutter erzählt, dass sie mich gerne mal wiedersehen würde. In der Hoffnung, dass sie nicht so intolerant wie die anderen ist, habe ich dieses Angebot angenommen und mich mit ihr wieder angefreundet. Diese Freundschaft hielt dann auch sehr lange.
Jedoch wunderte sie sich auch oft darüber, dass ich keinen Partner und keinen Sex will. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt entdeckt, dass sie bisexuell ist und war so glücklich darüber, dass sie ihre Freude darüber mit mir teilen wollte. Doch leider konnte ich damit nichts anfangen. Ich erklärte es ihr so gut ich konnte, weil ich ja damals die entsprechenden Wörter noch nicht kannte. Ich sagte ihr, dass ich auf „gar nichts" stehe und sie akzeptierte es, konnte es jedoch nicht nachvollziehen. Immerhin war das für sie aber kein Grund, unsere Freundschaft zu beenden.

Mit 15 kam ich auf eine neue Schule und kannte dort noch niemanden. Leider wurde ich dort sehr schnell zum Außenseiter und wurde deswegen gemobbt. Aufgrund meiner Andersartigkeit haben sich alle von mir abgewandt, was mir sogar ganz recht war, denn so konnte wenigstens keiner versuchen, mir einzureden, dass ich krank sei. Unter dem Mobbing habe ich dennoch gelitten. Als dann ein paar Monate später ein Junge auf unsere Schule kam, hat er versucht, das Mobbing zu unterbinden.

Danach passierten Dinge, die ich nicht einordnen konnte. Als ich ihn mal zufällig beim Einkaufen traf, war er sehr freundlich zu mir. Danach in der Schule auch noch. Doch eines Tages haben die Leute, die mich gemobbt haben, mit ihm geredet. Worüber weiß ich nicht, jedenfalls war er danach im negativen Sinne total verändert.

Er fing auch an mich zu mobben, stellte das jedoch so dar wie dieses Spiel Was sich liebt, das neckt sich. Da ich davon schon mal was gehört hatte, machte ich einfach mit. Ich dachte mir, wenn er tatsächlich was von mir will, könnte ich versuchen, das in eine Freundschaft umzuwandeln.
Zugegebenermaßen war es mir damals auch wichtig, einen Beschützer gegen die Mobber zu haben.
Aber wie ich dann feststellen musste, waren seine Neckereien kein Ausdruck seiner Verliebtheit, sondern er wollte mich wirklich nur ärgern. Daraufhin bin ich ihm konsequent aus dem Weg gegangen. Außer, dass er mich von weitem beleidigt hat, kam dann auch nicht mehr viel.

Danach hatte ich fast ausschließlich Kontakt zu meiner geistig behinderten Freundin. Ich brauchte dringend Abstand von den „Normalen". Bei meinem Hobby, dem Reiten, hatte ich jedoch noch oberflächliche Kontakte zu anderen Jugendlichen, die aber meist jünger waren als ich und nicht viel über mich wussten, was mir auch ganz recht war.

Mit 16 war ich im Reiturlaub und auch dort handelten die Gespräche nachts fast nur von dem Thema „Liebe", was mich ehrlich gesagt richtig genervt hat, denn ich wollte wenigstens im Urlaub meine Ruhe vor dem Thema haben! Dort prahlte ein gerade mal 11-jähriges Mädchen damit, dass sie schon so gut wie zusammen mit einem gleichaltrigen Jungen sei. Ein 14-jähriges Mädchen hat viel von ihrem Freund erzählt, was alle außer mir sehr interessant fanden.

Irgendwann fiel das Gespräch dann auf mich und ich wurde gefragt, ob ich einen Freund habe. Ich antwortete, dass ich keinen habe und auch keinen haben will. Doch das wollte mir keiner glauben. Sie ließen nicht locker mit ihren Fragen. Immer kam das Argument: „Du bist doch schon 16, da muss man doch mal langsam Interesse an sowas haben!" oder „Wir hatten gedacht bzw. gehofft, dass wir uns mal mit einer Erfahreneren über dieses Thema unterhalten können." Aber zum Glück haben sie mich trotzdem akzeptiert. Auf Klassenfahrten war dieses Thema viel schlimmer.

An anderen Orten, wo Jugendliche waren, wurde ich aufgrund meines Aussehens meistens sowieso für jünger gehalten. Manchmal kamen dumme Sprüche, vor allem, wenn ich mit meiner geistig behinderten Freundin abends unterwegs war. Da wurden wir von wildfremden Jugendlichen gefragt, ob wir schon mal gefickt worden sind, und das, obwohl meine Freundin ja gar nicht asexuell ist.
Aber wahrscheinlich taten sie das, weil man ihr ansieht, dass sie behindert ist und man dann automatisch davon ausgeht, dass sie keinen Sex hat bzw. ihr diesen nicht gönnt. Das ist in meinen Augen auch stark diskriminierend.


Als ich 18 Jahre alt war, lernte ich eine Gruppe von Jugendlichen im Alter von 14-18 Jahren kennen. Dies waren aber nicht meine Freunde, sondern Mitglieder einer Gruppe, zu der ich regelmäßig ging. Eigentlich habe ich mich gut mit denen verstanden, aber bei den Themen „Liebe" und „Sex" gab es wieder die üblichen Probleme. Wieder dachten die meisten von ihnen, dass ich das doch will und mich nur nicht traue. Da ich damals krankheitsbedingt auch nicht gut aussah, meinten manche auch, dass mich keiner will, weil ich zu hässlich bin. Insbesondere die gleichaltrigen Jungen sagten das oft.
Somit wurde ich überredet, mich schminken zu lassen (das erste Mal in meinem Leben) und mir schöne Klamotten anzuziehen. Ich habe es einfach mitgemacht, weil es ja nichts Schlimmes ist. In diesem „Zustand" sind wir dann weggegangen und ich fühlte mich sehr unwohl und hässlich damit. Danach habe ich mich nie wieder geschminkt.


Das Schlimme an der Sache war, dass diese Gruppe speziell für Jugendliche mit sozialen Ängsten gedacht war und man ihnen dort eigentlich mehr Selbstvertrauen beibringen wollte. Bei mir war es jedoch so, dass man mich dort unbedingt „normal“ machen wollte, obwohl ich kein Problem mit mir selbst hatte, sondern nur mit der Gesellschaft, die mich nicht akzeptierte. Selbst die Pädagogen dort wollten mich dazu bringen, mir einen Freund zu suchen.
Irgendwann war ich nur noch genervt und habe gesagt, dass andere ihren Freund oder ihre Freundin als Hobby haben und ich eben immer noch die Pferde. Ich betonte absichtlich, dass Pferde meine Beziehung seien, um die Leute zu provozieren. Allerdings ging der Schuss nach hinten los und ich wurde nun erst recht nicht mehr ernstgenommen – zum Schluss wurde mir sogar eine Zoophilie angedichtet!


Mit einem Mädchen aus der Gruppe habe ich mich privat angefreundet. Sie war 3 Jahre jünger als ich und hatte damals noch nicht so ein starkes Interesse an Sex und Liebe. Je älter sie wurde, desto schwieriger wurden unsere Gespräche allerdings, weil das Thema für sie immer mehr an Bedeutung gewann.

Ich verheimlichte ihr, dass ich asexuell und aromantisch bin, weil ich wegen meines höheren Alters eine Vorbildfunktion hatte und Angst bekam, diese durch mein Outing wohlmöglich zu verlieren. Stattdessen habe ich mir einfach irgendetwas ausgedacht und ihr erzählt. Überprüfen konnte sie es sowieso nicht, weil wir nicht in derselben Stadt wohnten und uns somit nicht oft sahen. Meistens telefonierten wir nur.


Als ich 19 war, habe ich eine Art Ausbildung angefangen. Dort hatte ich einen Kollegen, mit dem ich zufällig den gleichen Anfahrtsweg mit dem Bus hatte. Wir haben uns immer unterhalten und er war dabei sehr nett.

Eines Tages hat er mich auf einen Kaffee eingeladen und ich habe dem zugestimmt. Jedoch wusste ich nicht, ob es sich dabei um einen Flirtversuch handelte oder nicht. Ich weiß nicht, ob ich solche Sachen wegen meinen autistischen Zügen oder wegen meiner Aromantik schlecht beurteilen kann. Da er ein paar Tage später aber seinen Arbeitsplatz verlor, konnte ich das auch nicht mehr klären.

 

Im Alter von 24 wollte dann wieder jemand eine Beziehung zu mir. Damals konnte ich mich ganz gut davon abgrenzen und wir wurden nur Freunde, was auch gut so war. Gestört hat mich nur das Gerede der Leute, dass wir eine Beziehung hätten und ich es mich nur nicht zuzugeben traue. Diese Leute konnten sich nicht vorstellen, dass eine Frau etwas mit einem Mann unternehmen kann, ohne dabei in einer romantischen Beziehung mit ihm zu sein.


Ein paar Jahre später allerdings ging es mir gesundheitlich so schlecht, dass ich dringend etwas brauchte, womit ich mich entspannen konnte. Zu diesem Zeitpunkt lernte ich zufällig einen Mann kennen, der in erster Linie Sex mit mir haben wollte und erst in zweiter Linie eine Beziehung. Er suchte sehr intensiv den Kontakt zu mir. Ich habe ihm gesagt, dass ich kein Bedürfnis nach Sex und auch nicht nach einer Beziehung habe, doch er nahm es nicht ernst.
So kam es, dass er mir so einen Mist erzählte, wie „er könne mich von meinen Schmerzen heilen" (dreimal dürft ihr raten womit). Ich habe ihn dann auch an mich rangelassen, aber nichts empfunden dabei. Weil ich wissen wollte, warum das so ist, habe ich gegoogelt und das deutsche Forum für Asexualität (AVEN.de) gefunden. Ich las nur kurz darin, habe mich aber ziemlich schnell in den Beschreibungen und den Berichten der User wiedergefunden.


Dann habe ich diesem Mann davon erzählt, aber seine Worte waren nur: „Sowas gibt es vielleicht bei gesunden Menschen, aber du bist ja krank. Du brauchst Sex, damit du besser gesund werden kannst." Ich habe ihm erklärt, dass dem nicht so sei und wenn er Asexualität akzeptiere, dann solle er diese auch nicht bestimmten Menschen absprechen. Doch leider hat er mir nicht geglaubt und mir weiter eingeredet, dass ich Sex bräuchte. Nach einiger Zeit hat er jedoch gemerkt, dass mich der Sex wirklich kalt lies und hat daraufhin den Kontakt zu mir abgebrochen.


Ein Jahr später lernte ich einen anderen Mann kennen, dem es wohl vordergründig um eine Beziehung mit mir ging. Jedoch habe ich auch danach kein Bedürfnis. Ich hätte gerne eine Freundschaft mit ihm gehabt, aber das war dann wegen einer gravierenden Meinungsverschiedenheit, die allerdings nichts mit dem Thema Asexualität und Aromantik zu tun hatte, von meiner Seite aus nicht mehr möglich.

Heute denke ich, dass es einerseits schade ist, aber andererseits, falls wir uns angefreundet hätten, stünde vermutlich immer zwischen uns, dass er ja eigentlich eine Beziehung und keine Freundschaft mit mir wollte. Während dieser Zeit habe ich viel mit einer älteren Frau, zu der ich einen mütterlichen Kontakt hatte, über das Thema „Asexualität" gesprochen. Sie hat es jedoch nicht verstanden und meinte dazu nur, dass zu einer Beziehung nun mal auch Sex dazugehöre und dass ich mal überlegen solle, ob ich vielleicht ein unverarbeitetes Trauma habe.


Mittlerweile verhalte ich mich so, dass ich von vornherein deutlich mache, dass ich keine Beziehung will. Jedoch ist mir auch noch mal ein Fehler unterlaufen: Ich habe jemandem erzählt, dass ich Minderwertigkeitskomplexe habe, weil ich keinen Partner habe und meinte damit eigentlich Minderwertigkeitskomplexe wegen meiner Aromantik. Da er vermutlich nicht weiß, dass es solche Menschen wie uns gibt, hatte er das als Sehnsucht meinerseits nach einem Partner missverstanden.
Aber darüber kann ich nur mutmaßen, weil er sich irgendwann sehr komisch verhalten hat. Ich hoffe, dass es nicht wegen meiner Aromantik war, mache mir aber immer noch Gedanken deswegen. Immerhin können es die Nicht-Aromantiker ja gar nicht nachvollziehen, dass jemand sagt, er habe das „Bedürfnis" nach einem Partner, weil er nicht „unnormal“ sein will und nicht, weil er aus sich selbst heraus das dringende Bedürfnis nach einem romantischen Partner verspürt.
Da muss ich unbedingt noch an mir arbeiten und genauer aufpassen, was ich wem wie sage!


Ich habe mir generell vorgenommen, nicht mehr mit nicht-aromantischen und nicht-asexuellen Personen über mein Sex- und Beziehungsleben zu reden. Nicht einmal mit Ärzten mache ich das mehr, weil ja viele diese Sachen immer noch als psychische Störung ansehen, die geheilt werden muss…


So besteht ein Teil meines Lebens auch aus Lügen. Aber wenn diese Menschen mit der Wahrheit nicht umgehen können, haben sie es auch nicht anders verdient. So traurig es ist: Aufklärung bringt bei manchen Menschen einfach nichts!

Schon als Jugendliche habe ich versucht, meine Mutter über diese Themen aufzuklären, weil sie sich diesbezüglich schon über mich lustig gemacht hatte. Dabei habe ich fast dieselben Formulierungen benutzt, die auch im Asexuellen-Forum AVEN benutzt werden, obwohl es damals das Forum noch nicht gab und ich zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas über diese Themen erfahren hatte. Aber ich wusste intuitiv, dass diese Orientierungen normal sein können und dass es wahrscheinlich noch andere gibt, die so empfinden.


Als ich mich vor etwa zwei Jahren im AVEN-Forum angemeldet habe, war ich erstaunt, dass es doch relativ viele asexuelle Menschen gibt. Aromantiker gibt es wohl nicht so viele, aber ich war erleichtert, dass es dennoch welche gibt und ich mit meiner Orientierung nicht alleine bin.
Leider habe ich dieses Wissen erst sehr spät erfahren, mir wäre es lieber gewesen, ich hätte es schon als Jugendliche gewusst. Das hätte mir wohl sehr geholfen. Ich finde, dass Aufklärung in diesem Bereich sehr wichtig ist, gerade für junge Menschen.

 

Inzwischen bin ich über 30 und kann ganz gut mit meinem Anderssein umgehen.

 

Anonym

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Kommentare: 9
  • #1

    Mia (Montag, 14 Dezember 2015 19:34)

    Finde ich toll, dass es hier jetzt auch Erfahrungsberichte von anderen Aromantikern gibt ! Vieles kam mir bekannt vor.

  • #2

    Zara (Freitag, 18 März 2016 00:46)

    Danke für deine ausführliche Schilderung. So schade die darin geschilderten Ausgrenzungs- und (übergriffigen) Nichtakzeptanzserfahrungen darin auch sind, so finde ich es doch gut zu lesen, dass es noch mehr Menschen gibt, die wie ich aromantisch und (bei mir eher statt definitiv) asexuell ticken.

    Im Vergleich zu dir, hat mein nahes Umfeld mein Desinteresse an einer Beziehung (+ davor: Partnersuche) sowie Sex mit anderen akzeptiert. Mein Bruder zwar sehr lange nicht und wirklich verstehen kann er mich da nicht, weil er für sein Wohlbefinden eine Partnerin regelrecht braucht, aber er und meine Eltern scheinen sich nach Jahren damit abgefunden zu haben. Ich bin mittlerweile fast 30.

    Ich habe aber z.B. noch mit 28 von anderen blöde und auch verletzende Reaktionen dazu bekommen, wenn ich einfach ehrlich erklärt habe, dass ich keinen Wunsch nach einer Partnerschaft habe und noch nie gehabt habe (Gleiches beim Kinderwunsch, was ja auch nicht so akzeptiert wird bei Frauen als dauerhafter, lebenslanger Zustand, wenn die keine Kinder wollen.)

    Für mich gehe ich mittlerweile nicht mehr davon aus, dass Menschen, die mich kaum kennen, meine aromantische Seite verstehen können, und halte mich da bedeckt. Wenn jemand konkret fragt, lüge ich nicht, aber erzähle längst nicht mehr alles in die Tiefe gehend bzgl. meiner Innenwelt und belasse es dabei, dass ich a) Single bin und b) keinen Wunsch nach einer Beziehung verspüre. Damit werde ich dann so eingeordnet, dass mir der Richtige nur noch nicht begegnet ist.

    Heikler wird es, wenn ich wahrheitsgemäß auf Nachfrage sage, dass cih noch nie verliebt gewesen bin. Da gab es auch schon sehr intim-übergriffige Äußerungen und ich sage da im Zweifel nur noch eine Variation von:
    Das geht dich nichts an.
    (bzw. etwas deeskalierender: Sorry, das geht dich nichts an.)

    Bewährt hat sich auch den Spieß umzudrehen und den anderen zu fragen, warum er sich dafür interessiert, wann ich z.B. das letzte mal Sex gehabt hätte (nur weil ich vorher gesagt hatte, dass ich kein Interesse an einer Beziehung habe (gemeint als: Kein Bedürfnis danach verspüre).
    Ich frage mich, was nur vom sehen oberflächlich bekannte, fremde Menschen dazu bringt sowas zu fragen.

    Aber auch die Frage in small talk danach, ob ich einen Freund hätte, und die Reaktion, wenn cih das verneine, finde ich müßig und offen gesagt teils einfach dämlich. Z.B. bei demjenigen, der mich erst danach gefragt hat und auf mein Nein meinte, dass cih aber doch ein nettes Mädchen wäre und außerdem hübsch -> so als ob ich damit verpflichtet wäre einen Freund zu haben. Und dann ging das weiter damit, dass er meinte, dass seine älteste Tochter in meinem Alter ja auch erst einen Freund gefunden hätte und ja auch immer so hohe Ansprüche gehabt hätte an einen potentiellen Partner. Ich hatte nie etwas davon erwähnt, ob und welche Ansprüche ich an einen Partner hätte, geschweige denn, ob ich überhaupt einen Partner haben möchte und war da ziemlich irritiert, wieso er mir sowas unterstellt ohne mich zu kennen.
    Danach wollte er von mir wissen, was ich bei einer beziehung wichtig fände. Ich habe die Frage abstrakt verstanden und nicht auf mich bezogen (ich suche ja keinen Partner) bzw. mir das etwas von dem abgeleitet, was ich in Freundschaften wichtig finde: Dass man sich versteht; auf einer Wellenlänge ist.
    Daraufhin war der amüsiert und fing damit an, dass er das auch gedacht hätte vor seiner Scheidung. ... Ich weiß nicht genau - ich hatte den Eindruck, der konnte mich als eigene Person gar nciht sehen und hat auf mich projiziert. Ich fand das Gespräch unangenehm und zu schnell zu persönlich + dann noch diese falschen Unterstellungen bzgl. meiner Person, die cih übergriffig fand.

    Dass ich generell keinen Partner suche und das schon immer so war und vrss. aller Wahrscheinlichkeit so bleiben wird, habe ich nicht gesagt, weil cih die Basis für so ein Gespräch mit diesem Menschen nicht gesehen habe.

    Ende Teil 1

  • #3

    Zara (Freitag, 18 März 2016 00:47)

    Teil 2:
    Was ich von Männern kenne, die eine Beziehung mit mir wollten bzw. sich verliebt hatten, obwohl sie mich gar nicht näher kannten, ist, dass sie mein Nein und die Tatsache, dass ich meinerseits nicht verliebt gewesen bin und auch gesagt habe, dass das so bleibt bei jmd., den ich freundschaftlich-sexuell interessant fand, nicht akzeptieren konnten.
    Die konnten damit absolut nicht umgehen und gerade der, der behauptet hatte, dass Freundschaft Plus bzw. Freundschaft für ihn ok wäre (obowohl er anfänglich offen mehr wollte), hat hinterher am meisten rumgeschrien, weil ich mich nicht später in ihn verliebt hatte. Ganz empört war er, als ich zum Glück meinem Warngefühl gefolgt bin und den Kontakt beendet habe (wir hatten uns insgesamt gerade mal 10x getroffen) mit der Erklärung, dass ich mich nicht wohl fühle und das für mich so nicht passt. Der dachte echt, er würde mit seiner Lüge und unseren weiteren Treffen einen Anspruch darauf erwerben, dass ich eine Beziehung mit ihm eingehen müsse - und mich verlieben müsse, denn eine normale Frau würde sicha ngeblich später verlieben, auch wenn sie erst sagt, dass sie nciht verliebt wäre.
    Ganz schön verdreht und m.E. auch krank dieser Typ. Schätze auch eine romantisch tickende Person hätte im Falle eines Korbs dessen Frust und Abwertungs- wie Manipulationsversuche abbekommen, aber gerade bei mir, die ich offen meine Aromantik mitgeteilt hatte, damit er sich keine falschen Hoffnungen macht, hat er sich darauf eingeschossen und allerhand an Störungen bei mir unterstellt. Das war schon verletzend, auch wenn ich durchschaut habe, dass es ihm nur darum ging mich irgendwie zu verletzen, weil er Liebeskummer hatte, an dem er mir Schuld gegeben hat obwohl er diese Entscheidung zum weiteren Kontakt maßgeblich selbst wollte und angeblich mein Nein zu mehr kein Problem wäre (ist auch so was ... ich hatte ja von Anfang an gesagt, dass ich nur freundschaftlich interessiert bin und definitiv an keiner Beziehung interessiert und nicht verliebt bin, was so bleibt. Das hat er im Nachhinein offensichtlich nicht ernstnehmen wollen und er hat mMn keinen Grund zu jammern, wenn er dann quasi fühlen muss. Er hat sich das selbst zuzuschrieben und hätte seinen "Liebes"kummer vermeiden können, wenn er mcih und meine Grenze ernstgenommen hätte).

    Aber dass Aromantik selbst kommuniziert nicht respektiert wird, dürfte öfter so sein. Kenne cih zumindest auch aus anderen Kontexten, wenn auch weniger direkt betroffen und eskalierend wie bei dem Typen oben.

    Das Verhalten der anderen in der Pubertät habe ich übrigens auch nciht verstanden. ;)

  • #4

    Nina (Mittwoch, 30 März 2016 16:01)

    @Zara: Die Kritik mit dem Kinderwunsch betrifft mich zum Glück nicht, weil ich sowieso aus gesundheitlichen Gründen keine Kinder bekommen kann.
    Insgesamt, also nach meinen Beobachtungen kommt es mir auch eher so vor, als ob es eher Männern schwerer fällt, auf eine Beziehung zu verzichten. Ich bin gegen Vorurteile, das ist mir nur so im Bekanntenkreis aufgefallen.

  • #5

    Zara (Donnerstag, 31 März 2016)

    @Nina:
    Meinst du, dass es Männern generell schwerer fällt in ihrem Leben insgesamt auf eine Beziehung zu verzichten oder meintest du auf eine Beziehung mit einer konkreten Frau zu verzichten (aka: Einen Korb/ein Nein nicht direkt akzeptieren zu wollen)?

    Interessant wäre auch, wofür eine Partnerin gesucht und "gebraucht" wird:
    (Böse gefragt: Für den Haushalt? Als Bespaßungsperson? Als Zuhörerin für eigene Probleme, weil man ansonsten keine engen sozialen Kontakte hinbekommt? Als Mutterersatz? ... Oder ernsthaft nicht, weil man den anderen brauchen würde, sondern weil man ihn als Person (Persönlichkeit) schätzt und sehr mag?)

    Ich habe den Verdacht, dass bei vielen der Brauchen-Faktor mitreinspielt in den Partnerwunsch. Aber es wäre auch wieder unfair, dass den meisten zu unterstellen. Nur habe ich eben nie verstanden, warum man eine Beziehung miteinander eingehen sollte, bloß weil man sich gegenseitig nett findet und gut versteht. Für viele scheint das aber ausreichend in Mann-Frau-Verhältnissen, um es mal miteinander als Paar zu versuchen. Für mich ist das ein Mysterium, aber möglicherweise sehe ich das zu sehr aus meinem aromantischen Blickwinkel.

    Was den Kinderwunsch angeht: So gesehen bist du da über jede Kritik erhaben ^^. Blöd wäre nur, wenn du selbst Kinder hättest haben wollen oder zumindest nicht ganz sicher gewesen warst (so sicher wie man sich im Leben eben immer sein kann) vor der Diagnose, dass du keine haben möchtest.

  • #6

    Zara (Donnerstag, 31 März 2016 06:34)

    dass = das

  • #7

    Nina (Montag, 04 April 2016 17:52)

    @Zara:
    "Meinst du, dass es Männern generell schwerer fällt in ihrem Leben insgesamt auf eine Beziehung zu verzichten oder meintest du auf eine Beziehung mit einer konkreten Frau zu verzichten (aka: Einen Korb/ein Nein nicht direkt akzeptieren zu wollen)?"

    Das erste, aber ich will es keinesfalls verallgemeinern.
    Mich nervt es nur, wenn manche das in meiner Gegenwart immer wieder wiederholen, wie wichtig eine Beziehung für sie ist.
    Ich würde, wenn überhaupt, nur aus dem Grund eine Partnerschaft wollen, damit mich jemand wegen meiner Krankheit versorgen kann. Aber das würde keiner ohne Gegenleistung tun und ich würde mir dabei auch schäbig vorkommen.

    Was den Kinderwunsch angeht: Ich könnte vermutlich schon schwanger werden, aber kein Kind austragen. Selbst das glauben manche nicht und erwarten, dass ich dadurch meine Gesundheit auf´s Spiel setzen soll.

  • #8

    Rebekka (Sonntag, 08 Mai 2016 12:22)

    Das Verhalten in der Pubertät habe ich auch nicht verstanden und ich versuche mich so lange und intensiv um die Themen Liebe und romantische Beziehungen zu drücken wie es geht. Ich bin nicht stolz drauf, aber wenn mich andere nerven, sage ich auch schon mal das ich seit kurzem getrennt bin oder ähnliches, um das Thema zu beenden.

    Tatsächlich war ich noch nie verliebt, oder habe verstanden warum das so wichtig sein soll, ich werde von vielen in Beziehungsfragen (jeglicher Natur) um Rat gefragt, was vermutlich damit zusammen hängt, dass ich sehr analytisch mit dem Thema umgehe.
    Wie schon in anderen Artikeln beschrieben, habe ich die Seite erst vor wenigen Wochen gefunden und auch erst da begriffen, was ich bin. Und das es eine normale sexuelle Orientierung ist, dass ich mit dem ganzen Kram nichts anzufangen weiß.

    Ich bin übergewichtig und habe lange Zeit gedacht: wenn du schlank bist, suchst du dir einen Freund. Eine Bekannte wollte mich auf einer Dating-Site anmelden und ich wurde richtig wütend, ohne genau sagen zu können warum. Weil ich so wütend wurde, meldete ich mich - ohne ihr wissen - auf der Seite an, bekam auch Nachrichten und schrieb mit den Personen. Um dann festzustellen, dass es mich einfach nicht interessiert.
    Das ist jetzt einige Jahre her. Ich habe seit letzten Jahr einen neuen Job, habe jetzt mit dem Studium angefangen, was mich interessiert und bin ausgezogen (relativ spät mit 25, aber mit dem vorherigen Job, neben dem anderen Studium, finanziell nicht anders lösbar).

    Während der Umzugsphase wurde ich häufig gefragt, was wird mit der Wohnung (die ich exakt nach meinen Vorstellungen und mit viel Mühe und Zeit eingerichtet habe), wenn du mal einen Partner findest, wenn du mal heiratest und Kinder bekommst. Ich fand diese Fragen so abwegig. So absurd. Warum sollte ich einen Partner und Kinder wollen, jetzt wo ich endlich mein eigenes Reich habe?

    Auf der Suche nach Antworten bin ich hier gelandet. Es tut sehr gut, zu lesen, dass ich nicht alleine bin.

  • #9

    Nina (Dienstag, 24 Mai 2016 23:42)

    @Rebekka: Auch ich habe mich vor einiger Zeit in einer Partnerschaftsbörse angemeldet, weil ich dachte, vielleicht verliebe ich mich ja doch noch, wenn ich mit der Person erstmal nur schreibe, also wenn sie meinen Körper nicht sehen muss.
    Aber selbst daran hatte ich kein Interesse.

    Jetzt bin ich erstmal davon weggekommen, mich ständig dazu zu zwingen, anders zu werden. Es klappt eh nicht.