"Stop in the name of love"

Ein Kommentar zur geplanten Reform des Sexualstrafrechts aus asexueller Sicht.

 

Die Mangelhaftigkeit der geplanten Reform des deutschen Sexualstrafrechts geistert derzeit durch alle Medien. Dass „Nein“ auch wirklich „Nein“ heißt, stellt dabei kaum mehr jemand in Frage, dennoch wird nach den derzeitigen Reformvorschlägen des Justizministeriums eine etwas beherztere Gegenwehr gefordert, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die es nun wirklich nicht erlauben, sexuelle Belästigung als vielleicht-doch-irgendwie erwünscht zu deuten. Lesenswerte Kommentare dazu finden sich auf dem Verfassungsblog und bei Spiegel online.

Diesen Kritiken wäre im Grunde nichts mehr hinzuzufügen, wäre da nicht eine Äußerung, mit der eine Sprecherin des Justizministeriums jüngst auf die Kritik von Frauenverbänden und Politiker_innen aller Couleur reagierte: "Sozialübliche Verhaltensweisen zu Beginn einer Beziehung könnten kriminalisiert werden.“, wird diese Sprecherin von der Süddeutschen am 28. April zitiert.

 

Diese Äußerung, die als Ergänzung zum Gesetzesentwurf und dem damit verbundenen diskursiven Standpunkt des Sexualrechts in Deutschland verstanden werden kann, hat mich veranlasst einmal über eine Perspektive nachzudenken, die bislang in den berechtigten und unberechtigten Kommentaren nicht geäußert wurde. Mit anderen Worten, ich möchte aus einer (meiner) (aromantisch-)asexuellen Perspektive meinen Senf dazu geben.

Meiner Ansicht nach ist das in diesem Zusammenhang dringend geboten, und zwar nicht, weil asexuelle Personen von diesem Sexual(un)rechtsstand mehr betroffen wären als allosexuelle Personen oder gar, weil sie einer besonderen Berücksichtigung bedürften. Ich möchte vielmehr argumentieren, dass dieser Gesetzesvorschlag inklusive Kommentar der Sprecherin (nennen wir sie, zu Ehren des Justizministers, „Heike“) eine Norm verdeutlicht und juristisch verfestigt, der alle Menschen unterworfen sind, die jedoch Asexuelle regelmäßig ins Gesicht schlägt.

 

Ich rede im Folgenden von asexuellen Personen, nicht von aromantischen Personen, da sich meine Argumantation irgendwie im Rahmen der Anbahnung romantischer Beziehungen vollzieht, von der ich mal behaupte, dass sie eher von nicht-aromantischen Asexuellen tendenziell eher erlebt wird als von aromantischen Asexuellen. Desweiteren klammere ich den geschlechtsspezifischen Aspekt des Gesetzesvorschlages einmal aus, obgleich er natürlich vorhanden ist und auch in der Regel verstanden wird: denn „natürlich“ sind es Männer, die Frauen sexuell belästigen, und, romantisch verklärt, die Initiative ergreifen. Das ist weder „natürlich“ noch „immer so“, auch Frauen belästigen andere Menschen sexuell, und umgekehrt werden nicht nur Männer sexuell belästigt. Ganz abgesehen natürlich von der sexuellen Belästigung, die nicht-binärgeschlechtliche Personen (vulgo: Trans*) regelmäßig erleiden. Ich werde darum, etwas umständlich, von „Personen“ reden.

 

Annika Reich und Christina Clemm gebührt der Verdienst, mich durch ihren ZEIT-Kommentar, genauer: einen ziemlich versteckten,  und ihrerseits möglicherweise gar nicht der weiter reichenden Bedeutung ihres Satzes eingedenk, auf die Problematik aufmerksam gemacht zu haben: „Das Problem an dem Gesetzentwurf ist nicht, dass die neuen Regelungen falsch sind, sondern dass das Gesetz weiter an einem antiquierten Sexualitäts- und Geschlechterverhältnis festhält. Es geht davon aus, dass grundsätzlich jede Person jederzeit sexuelle Handlungen wünscht, selbst wenn sie das Gegenteil sagt. Nur wenn sie sich körperlich wehrt, will sie wirklich nicht.“

Sehr versteckt und vorsichtig formuliert legen die Autorinnen den Finger auf eine der vielen Wunden: der Gesetzesvorschlag, die Rechtssprechung und augenscheinlich die „Heike“ gehen davon aus, dass grundsätzlich tatsächlich jede Person sexuelle Handlungen wünscht. Reich und Clemm gehen vermutlich ebenfalls davon aus, dass grundsätzlich jede Person zumindest irgendwann einmal sexuelle Handlungen wünscht, sonst müssten sie den Zeitaspekt nicht betonen.

 

Diese Unterstellung ist offenkundig problematisch, wenn sie mit sexueller Belästigung einhergeht, die entweder grob gewalttätig ist, oder dem Anlass/der Beziehung der Beteiligten nicht angemessen ist. Wie Heike aber feststellt: im Rahmen der Anbahnung romantischer Beziehungen ist zumindest Letzteres nicht immer klar. Diese Unklarheit fußt auf der impliziten Feststellung, dass (romantische) Beziehungen grundsätzlich sexuell sind, und früher oder später auf körperliche Intimität und Geschlechtsverkehr hinauslaufen.

Sexuelles Begehren und sexuelle Aktivität sind also die „Default-Einstellung“ eines jeden Menschen. Wenn nicht gewichtige Gründe dagegen sprechen – neben direkter oder indirekter Drohung und brutaler Gewalt ist das vor allem die Unzurechnungsfähigkeit des Opfers – stellt im Rahmen eines Beziehungsbeginns die Ablehnung von sexuellen Handlungen seitens einer beteiligten Person kein Grund für die andere Person dar, dies auch tatsächlich zu respektieren, da die Beziehung qua definitionem ohnehin eine sexuelle sein muss.

 

Es handelt sich also strenggenommen nicht um Belästigung (ob nun sexuell, körperlich oder psychisch), sondern um eine Form romantischer Kommunikation, im Rahmen derer nicht das „Was“ (sexuelle Handlungen), sondern lediglich das „Wann“ verhandelt wird. Und dieses „Wann“ ist immer verhandelbar, da das „Was“ fest wie in Stein gemeißelt steht: ein bloßes „Nein“ ist dann keine kategorische Ablehnung, sondern allenfalls eine temporäre, und kann in der nächsten Sekunde bereits ein „Ja“ sein.

Der Topos ist bekannt: der Held drückt dem widerstrebenden Love Interest einen herzlichen Knutscher auf, der Love Interest knallt ihm daraufhin eine, oder auch nicht, und erwidert den herzlichen Knutscher. Alles gut.

 

Nun dachte ich zwar, dass dieses Ritual schon in den rotstichigen 50ern nur noch in Filmschnulzen zelebriert wurde. Dass diese Erwartungshaltung teilweise jedoch tatsächlich existiert, habe ich am eigenen Leib erfahren. Vor einigen Jahren habe ich mich ein paar Mal mit einem Mann zum Spazierengehen verabredet. Meinerseits rein freundschaftlich, seinerseits offenbar mehr. Eines Tages wollte er es wohl „klären“ und nahm mich fest in den Arm. Ich, total überrascht, stoße ihn fort und sage laut: „Mach das nie wieder! Ich warne dich, ich möchte das nicht, mach das nicht noch einmal!“ Natürlich – tut er es sofort wieder. Das war seinerseits zweifellos nicht in Ordnung und eine Grenzverletzung, und das würde vermutlich auch „Heike“ so sehen. Nach dem derzeit und künftig geltenden Strafgesetz – wäre er im Recht.

 

Nun geht es mir sicherlich nicht darum, die juristischen Mittel an die Hand zu bekommen, den Mann vor Gericht zu ziehen, tatsächlich lag ja auch keinesfalls eine sexuelle Belästigung vor. Nein, mein Plädoyer ist nicht, die Zahl der strafbaren Handlungen zu vergrößern, sondern dies: ich verlange das Recht auf mein „Nein“. Ich möchte, dass dieses „Nein“ gilt, und dass ich weiß und er weiß, dass, wen er sich über dieses „Nein“ hinweg setzt, er mein Recht verletzt.

Was jedoch „Heike“ sagt ist folgendes: Er war im Recht. Sein Sich-Hinwegsetzen über mein „Nein“ war gerechtfertigt, da es im „Namen der Liebe“ geschah, und lediglich eine „sozialübliche Verhaltensweise zu Beginn einer Beziehung“ darstellte. Hätte er mich nicht „nur“ umarmt, sondern sexuell berührt, wäre das immernoch sein Recht gewesen, da sexuelle Handlungen eben integraler Bestandteil von Beziehungen sind, er hätte lediglich das vorweggenommen, was ohnehin geschehen wäre. Eine Frage der Zeit, nicht des Gegenstandes.

 

Das ist nicht problematisch weil ich zufällig asexuell (und aromantisch) bin, sondern es ist grundsätzlich problematisch. Das Recht, sich über ein „Nein“ hinweg zu setzen, wenn es „im Namen der Liebe“ geschieht, bedeutet nichts anderes, als juristisch festzusetzen, dass Grenzverletzungen, Übergriffe auf die sexuelle, körperliche und psychische Selbstbestimmung und situative Entmachtung integraler Bestandteil romantischer Beziehungen sind. Mit dieser Vorstellung werden insbesondere asexuelle Menschen andauernd konfrontiert. Aufgrund dieser Vorstellung sind sie es, die sich rechtfertigen müssen, wenn sie ihr „Nein“ aufrecht erhalten (wollen). Dieses Konzept von romantischen Beziehungen schadet aber nicht nur Asexuellen, sondern allen Menschen. Aus diesem Grund sollte das „Nein“ rechtlich geschützt werden: nicht, um gegen noch mehr Leute Anzeige erstatten zu können. Sondern weil „Nein“ auch in intimen Beziehungen seine Berechtigung hat, sowohl situativ als auch kategorisch.

 

Julia

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Die unschönste Nebensache der Welt

Antisexualität – das ist etwas, was die meisten asexuellen Menschen meiden wie Vampire den Knoblauch. Schließlich ist Antisexualität mit einer erworbenen Einstellung gleichzusetzen und Asexualität als sexuelle Orientierung von einer Geisteshaltung zu trennen. Doch ist es auch richtig, antisexuelle Menschen alle über einen Kamm zu scheren und diese anonyme Masse kategorisch mit dem metaphorischen Kruzifix abwehren zu wollen?

 

Eklig, schmutzig, primitiv, unnötig, lächerlich, widerlich, abstoßend – das alles sind Adjektive, die einem antisexuellen Menschen wohlmöglich durch den Kopf schießen, wenn er seine Empfindungen gegenüber sexueller Interaktion beschreiben müsste. Antisexuell zu sein bedeutet, eine ablehnende Einstellung gegenüber Sex zu vertreten und diesen mit negativen Emotionen zu verknüpfen. Die Gründe für solche Überzeugungen können vielfältig sein und sie betreffen nicht nur asexuelle Menschen. Auch sexuelle Menschen können nach negativen Erfahrungen und Enttäuschungen die Antisexualität für sich entdecken. All das sind kopfgesteuerte Prozesse.

 

Wie ein stoischer Mönch, der seine Emotionen fest im Griff hat, schaut der Antisexuelle mit gerümpfter Nase auf die Welt herab und hält sich für etwas Besseres, denn er hat das primitive Nachgeben gegenüber der schäbigen menschlichen Triebe nicht nötig. So ähnlich lautet das eventuell meistverbreitete Klischee über antisexuell eingestellte Menschen – bedauerlicherweise. Denn es rückt das tatsächlich falsche Elitedenken in den Fokus, dass einige antisexuelle Menschen für sich gepachtet haben. Einige, nicht alle! Antisexuell zu sein ist keine Auszeichnung und macht einen auch nicht besser als andere Menschen. Aber: Nicht alle Menschen mit einer antisexuellen Einstellung behaupten das. Antisexuell zu fühlen ist nicht pauschal falsch und ebenfalls kein Grund, sich deswegen für einen schlechten Menschen zu halten. Es ist lediglich ein Wort für einen emotionalen Zustand.

 

Zur Entstehung von Antisexualität

Auch, wenn es in der asexuellen Gemeinschaft des Öfteren unter den Tisch gekehrt wird: Antisexualität muss zwar nicht, kann aber sehr wohl mit der asexuellen Orientierung selbst verknüpft sein. Ist es verwerflich, wenn ein asexueller Mensch so oft mit Sexualität konfrontiert und in verletzender Weise dazu gedrängt wurde, seine „kranke“ Einstellung dazu zu ändern, dass er Sexualität schließlich mit innerer Ablehnung begegnet? Wenn er jeden Tag in irgendeiner Weise daran erinnert wird, dass „die schönste Nebensache der Welt“ angeblich lebensnotwendig für ein erfülltes Leben ist?  Wenn Menschen ohne ein ausgefülltes Sexleben in den Medien wie Loser dargestellt werden? Wenn er in einer Gesellschaft lebt, die selbst Küchenmobiliar mit nackten Tatsachen bewirbt?

Wenn er dem übersexualisierten Zirkus nicht entfliehen kann, wird sich ein asexueller Mensch leicht unterrepräsentiert, alleine und missverstanden fühlen. Daraus können Aggressionen gegen Sexualität erwachsen, weil diese – so der logische Schluss – zur öffentlichen Verdrängung und teilweise auch Abwertung von Asexualität ihren entscheidenden Beitrag leistet.

 

Die antisexuelle Reaktion ist weder gut noch schlecht. Sie ist teilweise das Resultat des falschen Umgangs mit (A)Sexualität in den Medien und der Gesellschaft und daher in vielen Fällen eine emotionale Antwort auf die öffentliche Unsichtbarkeit der asexuellen Orientierung. Was aber noch viel wichtiger ist: Egal, wie eine solche Einstellung zustande gekommen ist, sie ist gültig! Genauso gültig wie eine sexpositive oder eine sexindifferente Einstellung.

 

Es ist erlaubt, den eigenen Emotionen nachzuhängen, auch wenn andere Menschen dem mit Widerspruch begegnen. Niemand sollte seine Emotionen unterdrücken, nur um von irgendeiner dubiosen Mehrheit wohlwollend akzeptiert zu werden. Allerdings muss man mit einer antisexuellen Einstellung ebenso akzeptieren, dass die Mehrheit der Menschen, auch die der asexuellen, dem nicht zustimmen. Und das sich das nicht ändern lässt.

 

Siku

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Typen, denen man beim Outing als asexuell begegnen kann

...und ihre charakteristischen Sprüche.


1. Der Ungläubige

Dieser Typ zieht die Existenz von Asexualität in Zweifel und versucht, Asexuelle davon zu überzeugen, dass sie mit ihrer sexuellen Orientierung danebenliegen. Alternativ versucht der Ungläubige laienpsychologisch zu erklären, welche Motivation für ein solches ‚Verhalten‘ vorliegen könnte.

 

„Das hab ich ja noch nie gehört!“

„Aus der Phase wirst du hinauswachsen.“

„Auf keinen Fall, du bist ein Mensch und Menschen sind sexuelle Wesen!“

„Du bist ein Spätzünder.“

„Du willst nur Aufmerksamkeit.“

„Du machst einen auf ‚schwer zu haben‘!“

„Das nehm ich dir nicht ab!“

„Du tust nur so, um besonders zu sein!“

„Das sagst du nur, weil du keinen Partner abbekommen hast!“

 

2. Der Verhörspezialist

Der Verhörspezialist bombardiert Menschen mit aufdringlichen und unangemessenen Fragen und dringt somit regelmäßig unaufgefordert in die Intimsphäre anderer Leute ein.

 

„Masturbierst du?“

„Hattest du schon einen Orgasmus?“

„Was ist mit deinen Sexträumen?“

„Was ist mit Zungenküssen, gehen die?“

„Tust du das aus religiöser Überzeugung?“

„Hat dich jemand emotional verletzt?“

„Was ist mit deinen Genitalien? Funktionieren die richtig?“

„Wurdest du sexuell missbraucht?“

„Wurdest du vergewaltigt?“

 

3. Der Inspektor

Der Inspektor steht im (eingebildeten) Rang eine Stufe über dem Verhörspezialisten, denn dieser Typ hat es nicht nötig, zu fragen. Gestochen scharf formuliert der Inspektor seine Erkenntnisse und weiß die Biografie des Verhörten geschickt für seine Zwecke umzumünzen. Erklärtes Ziel: die asexuelle Orientierung des Gegenübers argumentativ zu widerlegen.

 

 „Du warst doch schon einmal verliebt mit allem Drum und Dran!“

 „Du hattest schon eine Beziehung!“

 „Wer sexuelle Erfahrung hat, ist nicht asexuell.“

 „Ich hab dich aber schon Pornos schauen sehen!“

 „Du bist doch ein leidenschaftlicher Mensch!“

 

4. Der Pseudo-Sympathisant

Dieser Typ wähnt sich in der Lage, die Gefühle seines Gegenübers nachvollziehen zu können und überschüttet seine Diskussionspartner abwechselnd mit Mitleid und Ermunterungen.

 

„Das muss ein beschissenes Gefühl sein.“

„Das tut mir sehr leid für dich.“

„Du weißt nicht, was dir entgeht!“

„Fühlst du dich nicht unglaublich einsam/leer/traurig?“

„Ach, du hast den Richtigen/die Richtige einfach noch nicht getroffen!“

„So hässlich bist du doch gar nicht.“

„Ich finde schon jemanden, der dich nimmt.“

„Gib deiner Sexualität noch eine Chance!“

 

5. Der Komiker

Der Komiker übertrifft sich regelmäßig im Erfinden niveauloser ‚lustiger‘ Sprüche, die regelmäßig eingestreut werden, um Lacher zu ernten.

 

„Pflanzt du dich durch Zellteilung fort?“

„Du Narzisst bist wohl nur in der Lage, dich selbst zu lieben!“

„Da ist wohl jemand pädophil/zoophil, was?“

„Ich kann deinen Heiligenschein schon sehen, Mutter Theresa!“

Lacht dich aus und fordert andere Leute auf, in sein hämisches Gelächter mit einzufallen.

 

6. Der Therapeut

Dieser Typ hält große Stücke auf sein vermeintliches Fachwissen und begreift sich selbst als kompetent genug, diverse laienpsychologische Diagnosen und ‚medizinische‘ Ratschläge zu erteilen, die mit triumphalem Unterton verkündet werden.

 

„Hältst du dich für nicht wertvoll genug, um geliebt zu werden?“

„Wie war das Verhältnis zu deinen Eltern?“

„Das klingt ganz nach [psychische Störung einfügen].“

„Du solltest einen Therapeuten konsultieren.“

„Hast du schon einmal deine Hormone checken lassen?“

„Du bist homosexuell und verdrängst deine Sexualität.“

„Du hast eine mentale Blockade.“

„Hast du schon einmal Viagra/andere Potenzmittel und ‚Lustpillen‘ ausprobiert?“

„Du solltest dich nicht selbst so kasteien! Was ist, wenn du die nächste (sexuell) interessante Person triffst?“

„Du hast eine Bindungsstörung.“

„Wer keinen Spaß am Sex hat, macht dabei etwas falsch.“

„Du hast Hemmungen, dich fallen zu lassen.“

 

7. Der Idiot

Der Idiot begreift überhaupt nicht, worum es eigentlich geht und disqualifiziert sich durch unnötige Kommentare, die im Bezug auf Asexualität keinen Sinn ergeben.

 

„Äh…und das soll jetzt ein Problem sein, oder was?“

„Bist du konservativ/langweilig!“

„Hör auf, so gegen Homosexuelle zu hetzen!“

„Das ist keine echte sexuelle Orientierung, sondern ein Hirngespinst.“

„Hältst du dich für etwas Besseres?“

„Ist das jetzt dein neuer Spleen?“

„Hast du im Internet gelesen, was?“

 

8. Der Moralapostel

Gefangen in der Denkweise des 18. Jahrhunderts, hält der stockkonservative Moralapostel mit klischeebehafteten Äußerungen nicht hinterm Berg und versucht, asexuellen Menschen das 'Ziel des Lebens' schmackhaft zu machen: Fortpflanzung.

 

„Frauen haben gar keine eigene Sexualität und machen das nur dem Mann zuliebe!“

„Es gibt keinen Mann, der keinen Sex will.“

„Schon in der Bibel steht: Seid fruchtbar und mehret euch!“

„Keinen Sex zu haben ist unnatürlich.“

„Fortpflanzung ist der Sinn des Lebens.“

„Es ist deine Pflicht, Enkelkinder für deine Eltern zu zeugen und den Stammbaum der Familie aufrechtzuerhalten.“

 

9. Der Aufreißer

Der Aufreißer hält sich für einen ausnehmend guten Liebhaber und weist mit einigem Stolz regelmäßig auf seine Fähigkeiten hin, weshalb das Sprücherepertoire natürlicherweise begrenzt ist. Alle Aussagen sind mehr oder minder eine Variante folgenden Satzes:

 

„Wenn du mit mir in die Kiste steigst, kann ich das ganz schnell ändern!“

 

10. Der Freund

Jackpot! Hierbei handelt es sich um einen wirklichen Freund, der dich ernstnimmt, auf deine Bedürfnisse Rücksicht nimmt und deswegen auch nicht mir vorhersehbaren Sprüchen um die Ecke kommt.

 

Siku

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Wahrsager ade!

Wer kennt sie nicht? Die Diskussionspartner, die bei einem Gespräch über Asexualität ihre Kristallkugel zurate ziehen und im mysteriösen Nebel des unendlichen Kosmos die Befähigung erblicken, ihr Gegenüber labeln und bewerten zu können? Sie sind überzeugt davon, asexuelle Menschen und ihre Gefühle besser zu verstehen als diejenigen, die diese Orientierung wirklich betrifft.

Der folgende Beitrag zeigt, warum es nicht sinnvoll ist, andere Personen in ihrer Selbstbestimmung korrigieren zu wollen. 

 

Folgende Gedanken sollte den selbsternannten Wahrsagern irgendein Astralwesen in die Kristallkugel funken, um so für ein besseres Verständnis von Asexualität zu sorgen und die bevormundende und verletzende Fremdbestimmung durch die vermeintlich Hellsichtigen zu unterbinden.

 

     Asexuelle Menschen haben sich über ihre Identität bereits ausreichend Gedanken gemacht, bevor sie mit der ‚Asexualität‘ für sich das richtige Label gefunden haben. Diese Menschen wissen, was es heißt, asexuell zu sein, weil sie es am eigenen Leib tagtäglich erleben. Wie könnte jemand Außenstehendes sie besser verstehen, der darin überhaupt keine Erfahrung hat?

 

       Es sollte möglich sein, sich einmal in seinem Leben in einer Konversation zurückzunehmen, wenn sich eine andere Person mit einem sehr intimen Anliegen offenbart. Es sind weder Spekulationen nötig noch ein großzügiges Absegnen dieser seltenen Orientierung. Es reicht, einfach zuzuhören und sein Gegenüber ernst zu nehmen.

 

     Wer sich als asexuell outet, schuldet seinem Gesprächspartner keinen Beweis für seine sexuelle Orientierung. Es ist verletzend, das Ergebnis einer Selbstfindung abzuwerten, indem man nach Rechtfertigungen verlangt oder sogar behauptet, demjenigen erst dann zu glauben, wenn er ein ärztliches Zertifikat mit der entsprechenden ‚Diagnose‘ vorlegt. Die sexuelle Identität ist nichts, was nur erlangt, wer einen gestempelten Zettel herumreichen kann, der alle anderen möglichen ‚Ursachen‘ zweifelsfrei ausschließt.

 

      Die Information, die ein Mensch mit einem Outing seiner sexuellen Identität gibt, ist nicht trivial und verdient Beachtung. Oftmals dauert es lange Zeit, bis ein Asexueller zu seiner Orientierung findet und diese auch anderen gegenüber benennen kann oder möchte. Für ihn ist es ein wichtiger Bestandteil seiner Selbstfindung und keine Trivialinformation, die auf erhöhte Aufmerksamkeit des sozialen Umfelds zielt.

 

      Wer Andersartigkeit akzeptiert, ohne an fremden Labels herumzudoktern und Gründe zu erfinden, warum es diese Labels gar nicht geben kann oder warum sie nicht auf sein Gegenüber passen können, vergibt sich nichts. Im Gegenteil, so beweist man Toleranz und Empathie.

 

      Niemand ist in der Lage, die Konditionen festzulegen, nach denen sich eine andere Person als asexuell einordnen darf. Wer bereits sexuelle Erfahrung gesammelt hat oder regelmäßig masturbiert, kann asexuell sein! Entscheidend ist die Fähigkeit, (keine) sexuelle Anziehung empfinden zu können.

 

      Über das Outing eines anderen Menschen zu lachen oder unangebrachte Witze zu machen verbietet sich von selbst. Andernfalls wird es wohl das letzte Mal sein, dass jemand dir seine Gedanken anvertraut.

 

      Versuche, dein Gegenüber nicht mit dem Hinweis zum Schweigen zu bringen, dass es in dieser Welt ‚wirkliche‘ oder ‚größere Probleme‘ gibt, die deiner Meinung nach wesentlich relevanter sind. Die Selbstfindung eines Menschen ist eine Lebensaufgabe und es ist wichtig, sich über die eigene Identität klarzuwerden.

 

      Vermeide in die Leere laufende Vergleiche, um jemand anderen davon überzeugen zu wollen, seine Identität besser erklären zu können, als er selbst das kann. Vergleiche Asexualität nicht mit den Durststrecken in deiner letzten Beziehung, es ist nicht dasselbe! Wer nicht asexuell ist, kann sich auch nicht mit asexuellen Menschen vergleichen und sollte keine Expertise auf diesem Gebiet suggerieren, die de facto nicht vorhanden ist.  

 

      Wie sinnvoll ist es, vermeintlich in die Schuhe einer anderen Person zu schlüpfen und dann zu konstatieren: Wenn ich diese sexuelle Orientierung hätte, würde ich damit nicht klarkommen und mich höchstwahrscheinlich umbringen! Danach wird sich dein Gesprächspartner sicher besser fühlen…

 

      Asexualität ist kein Argument, kein Standpunkt und auch keine Entscheidung, sondern eine sexuelle Orientierung. In der Entscheidungsgewalt asexueller Menschen liegt lediglich, ob sie sich outen wollen oder nicht. 

 

      Niemand wird von der Identifizierung als asexuell absehen, „weil doch alle Menschen Sex haben.“ Es mag sein, dass dieses Konzept für die breite Masse seine Gültigkeit hat. Das berechtigt dich aber noch lange nicht, es als gottgegebene Wahrheit hinzustellen.

 

      Selbst, wenn sich eine Person dir gegenüber als asexuell geoutet hat, muss das nicht gleich für den gesamten Freundeskreis gelten. Du solltest dir vorher die Erlaubnis des betreffenden Menschen einholen, bevor du seine sexuelle Identität im großen Stil ausdiskutierst. Im Übrigen kann man sich mit seiner Orientierung wohlfühlen, ohne gleich der ganzen Welt davon berichten zu wollen.

 

       Du hast irgendwo gelesen, dass Asexualität nicht existiert und alle asexuellen Personen sich diese Orientierung nur einbilden? Dann denk daran, dass das auch nur ein Mensch geschrieben hat, der falsch informiert war oder es wie du nicht glauben wollte. Egal, wie seriös ein Text daherkommt, er wurde von keinem göttlichen Wesen in Stein gemeißelt und hat folgerichtig auch keinen Absolitätsanspruch auf die Wahrheit.

 

      Du kennst also einen Menschen, der sich fälschlicherweise als asexuell identifiziert hat und nun „darüber hinweggekommen ist?“ Schön für diese Person, dass sie zu einer korrekten Selbstbezeichnung gefunden hat! Aber ein Gegenbeispiel anzuführen hilft dir bei deinem gegenwärtigen Diskussionspartner nicht weiter, denn er ist ein Individuum!

 

     Wenn dein Gegenüber dich in einem Punkt korrigiert und dabei aufgrund der größeren Erfahrung aller Wahrscheinlichkeit nach Recht hat, solltest du diese Korrekturen annehmen, anstatt dich angegriffen zu fühlen und zu schmollen. Höchstwahrscheinlich will dein Gesprächspartner, dass DU ihn besser verstehen kannst und von keinen falschen Tatsachen ausgehst.

 

    Vermeide das krampfhafte Suchen nach möglichen Krankheitshistorien oder sexuellem Missbrauch. Einen solchen Informationsaustausch zu initiieren steht dir nicht zu, das ist Sache des betroffenen Menschen!

 

     Es ist nicht möglich, die Identität eines anderen Menschen bestimmen zu können oder für ihn in die Zukunft zu sehen. Wirf deine Kristallkugel weg!

 

Siku

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Du bist asexuell, wenn...

Wenn du Zweifel hast, ob auch du dich mit Asexualität identifizieren kannst, hilft dir dieser Beitrag vielleicht weiter.

 

Achtung: Es ist nicht ganz leicht, Asexualität zu erkennen. Die einzelnen Punkte sind als Tendenzen und Denkanstöße gedacht und weisen auf eine mögliche asexuelle Orientierung hin. Das heißt aber nicht, dass man als Asexueller hinter jeden Punkt ein Kreuz setzen muss, um als 'echter' Asexueller zu gelten. Asexuelle Personen sind Individuen wie alle anderen Menschen auch und können sich daher auch in der Ausprägung ihrer Orientierung unterscheiden. Ebenso wenig ist ausgeschlossen, dass sich eine sexuelle Person in einigen Punkten wiederfinden könnte.

 

1. Du hast dich noch nie sexuell zu einer anderen Person hingezogen gefühlt.

 

2. Deine Sichtweise von Sexualität unterscheidet sich fundamental von der anderer Menschen.

 

3. Du denkst nicht oder kaum an Sex.

 

4. Du hast keine erotischen Träume und fantasierst nicht über sexuelle Handlungen.

 

5. Du hattest noch nie in deinem Leben Sex und sehnst dich auch nicht danach.

 

6. Du hattest schon Sex mit einem Partner und hast nichts dabei empfunden.

 

7. Du gehst einer Beziehung aus dem Weg, weil du dich vor dem Punkt fürchtest, an dem ein

    Partner Sex mit dir haben will.

 

8. Du meidest Konversationen über Sexualität.

 

9. Du hast deine Pubertät vollkommen anders erlebt als deine Mitmenschen, nämlich ohne das

   plötzliche Erwachen sexuellen Interesses.

 

10. Du hast noch nie jemanden 'heiß' gefunden.

 

11. Du könntest problemlos dein ganzes Leben lang auf Sex verzichten.

 

12. Du verstehst nicht, warum Sex der einzige Weg sein soll, einem Menschen seine Liebe zu

      zeigen.

 

13. Du masturbierst nicht.

 

14. Du hast einen stark analytisch geprägten Blickwinkel, wenn es um Sexualität und sexuelle

      Handlungen geht und versuchst, diese rational zu erfassen.

 

15. Die mediale Überrepräsentation von Sexualität stößt dich ab/erscheint dir lächerlich.

 

16. Sexuelle Szenen in Filmen oder Büchern schaltest/blätterst du weg oder du empfindest sie

     als unnötig und störend.

 

17. Du kannst den Sexualtrieb deiner Mitmenschen nicht nachempfinden.

 

18. Du hast dich irrtümlicherweise für homosexuell gehalten, weil du bisher noch keinen Wunsch

     nach sexueller Interaktion mit einem gegengeschlechtlichen Partner verspürt hast. Nach einer

     Weile hast du festgestellt, dass auch homosexuelle Handlungen für dich nicht infrage kommen.

 

19. Du kannst Menschen ästhetisch anziehend finden, ohne dass daraus der Wunsch folgt,

      sexuelle Interaktion mit ihnen auszuüben.

 

20. Als du von der Existenz anderer asexueller Menschen erfahren hast, warst du erleichtert, mit

      dieser sexuellen Orientierung nicht alleine zu sein.

 

21. Du kannst dich mit dem Begriff 'Asexualität' identifizieren und fühlst dich wohl damit.

 

22. Dir fallen auf Anhieb tausend Dinge ein, die du lieber tun würdest, als sexuelle Interaktion

      mit einer anderen Person zu betreiben.

 

23. Du kannst mit dem Begriff 'sexy' nichts anfangen.

 

24. Du würdest niemals bestimmte Kleidung tragen, nur um darin erotisch aufreizend auf andere

      zu wirken.

 

25. Du hast dich zum Sex mit deinem Partner gezwungen, um ihn nicht zu verlieren.

 

26. Du siehst unbekleidete Menschen nicht als begehrenswerte Sexualpartner an, sondern eher als

     'anatomische Modelle'.

 

27. Wenn du schon einmal Sex mit einem Partner hattest, standen für dich dabei die physischen

      Bewegungen im Vordergrund und nicht die Emotionen.

 

28. Du empfindest sexuelle Erregung als nervend/störend.

 

29. Dein Interesse für Sexualität hast du nur vorgetäuscht, um in Gesprächen mit anderen nicht

      aufzufallen.

 

30. Die Berichte deines Umfelds über sexuelle Aktivitäten langweilen dich.

 

31. Sexuelle Anspielungen, z.B. in Flirts, bemerkst du oft nicht.

 

32. Du verstehst nicht, warum mangelnder Sex einen Menschen beeinträchtigen und

      Leidensdruck bei ihm verursachen kann.

 

33. Du nimmst sexuell konnotierte Redewendungen ("Lass uns bei mir noch einen Kaffee

      trinken", "Lass uns gemeinsam einen Film schauen") wörtlich und bist verwundert, dass

      andere Menschen diese Phrasen als Einladung zu sexueller Interaktion auffassen.

 

34. Du konsumierst weder Pornos noch Magazine, die für ihren sexuellen Inhalt bekannt sind.

 

35. Dir fallen Menschen nicht in einem sexuellen Sinn auf, z.B. als 'sexy' oder 'scharf'.

 

36. Du verlierst das Interesse an Personen, die sexuell an dir interessiert sind oder meidest diese.

 

37. Du hast dich noch niemals für jemand anderen hübsch gemacht als dich selbst.

 

38. Du verbindest Liebe nicht mit Sexualität und verstehst nicht, warum beides miteinander

      zusammenhängen soll.

 

39. Du bist trotz fortgeschrittenen Alters noch Jungfrau und empfindest bei diesem Gedanken

      keinerlei Panik, diesen Zustand schnell beenden zu wollen.

 

40. Du schämst dich nicht für deine Jungfräulichkeit.

 

41. Deine Vorstellung von einer romantischen Beziehung beinhaltet keine sexuelle Interaktion.

 

42. Es ist dir unangenehm, wenn andere sexuelles Interesse an dir zeigen.

 

43. Durch 'Abchecker'-Blicke fühlst du dich nicht etwa geschmeichelt, im Gegenteil, du könntest

gut auf sie verzichten.

 

Siku, Kari

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Geschichten aus dem Märchenland: Asexualität und Vorurteile

Asexualität scheint trotz der postulierten Aufgeklärtheit des 21. Jahrhunderts nach wie vor von Außenstehenden als eine Art Provokation und eklatanter Makel wahrgenommen zu werden. Kein Wunder, dass sich im Märchenland zahlreiche Mythen und Vorurteile zur asexuellen Orientierung festgesetzt haben.

 

1. Asexuelle Menschen ekeln sich vor Sex.

Falsch! Antisexuell eingestellte Menschen ekeln sich vor Sexualität. Asexuell zu sein bedeutet lediglich, keine sexuelle Anziehung zu anderen Individuen zu verspüren und das ganz ohne Leidensdruck.

 

2. Asexualität ist das Resultat vergangener schlechter Erfahrungen.

In diesem Argument schwingt der hoffnungsvolle Unterton mit, man könne Asexuelle durch eine gekonnte Performance im Bett doch noch vom Wert der Sexualität überzeugen. Asexualität schließt vergangene schlechte Erfahrungen mit Sexualpartnern zwar nicht aus, weil viele Asexuelle ihre Orientierung zunächst nicht wahrhaben wollen und sich zum Sex ‚zwingen‘, ist aber nicht durch diese Erfahrungen bedingt. Unter asexuellen Menschen befinden sich auch einige, die noch nie in ihrem Leben Sex hatten.

 

3. Asexualität ist mit dem katholischen Zölibat vergleichbar.

Obwohl es dazu keine offiziellen Statistiken gibt, dürften sich unter Asexuellen genauso viele Atheisten finden wie unter sexuellen Menschen. Das Zölibat setzt eine bewusste Willensentscheidung zugunsten eines enthaltsamen Lebensentwurfs voraus, wogegen man Asexualität nicht mit einem Lifestyle vergleichen kann, denn die sexuelle Orientierung lässt sich nicht durch Willensanstrengung beeinflussen.

 

4. Asexuelle verdrängen ihre Sexualität lediglich.

Asexuelle Menschen verdrängen ihre Sexualität genauso wenig, wie heterosexuelle Menschen ihre nicht vorhandene Homosexualität verdrängen. Der Wunsch nach sexuellen Kontakten mit anderen Menschen ist bei ihnen nicht im schlafenden Unterbewusstsein verborgen. Dort schlummert überhaupt kein Wunsch nach sexueller Interaktion, den man hervorkitzeln könnte.

 

5. Asexuelle Menschen funktionieren nicht richtig.

Allein das Wort funktionieren verbietet sich im Zusammenhang mit Lebewesen. Wer dennoch davon ausgeht, dass Asexuelle aufgrund anatomischer/hormoneller Abweichungen von der Norm nicht zu einem partnerschaftlichen Sexualleben fähig sind, muss diese Überzeugung begraben. Asexuelle verspüren keinen Wunsch nach einem sexuellen Intimleben, obwohl sie rein anatomisch gesehen dazu in der Lage wären, Sex zu haben.

 

6. Asexualität ist nur eine Phase.

Asexualität ist eine sexuelle Orientierung wie Hetero- und Homosexualität, keine Phase. Sie bleibt dauerhaft bestehen und lässt sich nicht ändern – nein, auch durch Sex nicht! Man sollte Asexualität nicht mit den als Durststrecken empfundenen Phasen einer sexuellen Beziehung vergleichen, in der auch den beteiligten Sexuellen die Lust auf ein Stelldichein vergeht.

 

7. Wie kann man etwas ablehnen, was man nicht ausprobiert hat?

Natürlich ist es möglich, auch ohne sexuelle Erfahrung zu dem Schluss zu kommen, asexuell zu sein. Oder hat jemand festgelegt, dass man sich erst dann homo/heterosexuell nennen kann, wenn die andere sexuelle Orientierung ausprobiert und nach gründlichen Tests ausgeschlossen werden konnte? Man könnte auch andersherum fragen: Wie kann ein sexueller Mensch etwas wollen, was er (bis zum ersten Mal) noch nie ausprobiert hat?

 

8. Asexuelle schämen sich für ihren Körper/ihr Aussehen und verweigern deswegen den Sex.

Dieses häufig vorgebrachte Vorurteil geht absurderweise davon aus, dass alle sexuell aktiven Menschen unweigerlich zu den Anwärtern auf den nächsten Mr./Mrs.-World-Titel zählen und restlos zufrieden mit ihrem Körper sind, während alle Asexuellen dementsprechend unglücklich und hässlich zu sein haben. Die körperliche Attraktivität ist aber nicht ausschlaggebend für die Identifikation mit einer sexuellen Orientierung, das gilt sowohl für Hetero- und Homosexualität als auch für Asexualität.

 

9. Wer masturbiert, kann nicht asexuell sein!

Doch, kann er. Die Libido ist bei asexuellen Menschen, übrigens genau wie bei Sexuellen, unterschiedlich ausgeprägt und einige Asexuelle verspüren dieses sexuelle Bedürfnis. Masturbation beinhaltet allerdings das Ausleben der eigenen Sexualität mit sich selbst und bedeutet deswegen nicht zwangsläufig, dass sich diese Menschen auch sexuelle Interaktion mit einem Partner wünschen. Zumal es auch Sexuelle gibt, die nicht masturbieren und deswegen nicht gleich zu Asexuellen werden.

 

10. Asexuelle haben den richtigen Partner einfach noch nicht gefunden!

Auch der Traumprinz in strahlender Ritterrüstung oder die Traumprinzessin könnten die sexuelle Lustlosigkeit eines asexuellen Menschen nicht ändern. Das liegt daran, dass ein funktionierendes Sexualleben für Asexuelle keinen Gradmesser für eine intakte Beziehung darstellt und sie nur dann sexuell aktiv würden, wenn es nichts an ihrem Partner mehr auszusetzen gäbe. Stattdessen favorisieren sie es, ihrem Partner auf andere Weise mitzuteilen, welche Gefühle sie für ihn empfinden. Seit wann ist Sex die einzige Möglichkeit, seinen Partner spüren zu lassen, dass man ihn liebt? Dann dürfte es so etwas wie Küsse, Umarmungen und Händchenhalten gar nicht geben.

 

11. Asexuelle wurden in ihrer Kindheit missbraucht und konnten deswegen keine 'normale Sexualität' aufbauen.

Zuerst einmal stellt sich bei dieser Unterstellung, die wie so viele darauf abzielt, Asexualität zu pathologisieren, die Frage, was man denn unter einer 'normalen' Sexualität zu verstehen hat. Höchstwahrscheinlich diejenige, die der Untersteller selbst für normal hält. Nicht jeder asexuelle Mensch wurde prinzipiell als Kind missbraucht, ebensowenig wie jeder sexuelle Mensch als Kind nicht missbraucht worden ist. Als Gegenargument könnte man zudem anführen, dass es Menschen gibt, die trotz Missbrauchserfahrungen ihre Sexualität aufgebaut haben und diese ausleben können. Natürlich kann auch ein Opfer von kindlichem Missbrauch sich als asexuell identifizieren. Oder sind nur Menschen ohne Traumata in der Lage, ihre Gefühle richtig einordnen zu können?

 

12. Asexuelle verpassen die 'schönste Nebensache der Welt'!

Wer hat diese unsinnige Formulierung denn erfunden und Sexualität zur 'schönsten Nebensache der Welt' erhoben? Zweifelsohne die Sexuellen, weil sie Sex eben als schön empfinden. Wer Sex allerdings nicht genießen kann, weil er für ihn ohne sexuelle Anziehung zum Partner lediglich ein monotoner, rein mechanischer Akt wäre, der wird wohl kaum eine lohnende Erfahrung verpassen.

 

13. Asexuelle verwechseln ihre Lustlosigkeit mit Depressionen.

Gut gebrüllt, Löwe! Eine verringerte Libido kann in der Tat Folge einer Depression sein. Wer allerdings auch vor der Depression keine Libido besessen hat, kann sie durch eine Depression auch nicht verloren haben. Es ist also nicht jeder, der mit einem in der Horizontale ausgeführten Löwentänzchen nichts anfangen kann, gleich depressiv.

 

14. Asexuelle halten sich für 'reiner' und 'besser'.

Elitedenken unter Asexuellen ist kaum vorhanden. Schließlich ist Asexualität keine Leistung, auf die man stolz sein könnte, sondern eine sexuelle Orientierung. Sie hat auch nichts mit Selbstkontrolle im Rahmen einer fanatischen Religion zu tun, die Jungfräulichkeit vor der Ehe vorschreibt und dies mit dem Argument der Unschuld und Reinheit zu verteidigen versucht. Umgekehrt gibt es wohl nicht wenige sexuelle Menschen, die sich mit ihrem regen Sexualleben brüsten und kernige Storys aus dem Nähkästchen zum Besten geben, um cool vor ihren Freunden zu wirken.

 

15. Asexualität ist unnatürlich.

Asexualität ist ein Phänomen, das sich sowohl bei Menschen als auch im Tierreich beobachten lässt und Tiere gelten ja im Allgemeinen als natürlich, oder? Wer von dieser Position aus argumentiert, trägt genau das gleiche verstaubte Moralkorsett, das Homosexualität als widernatürlich erachtet. Und wer außer dogmatischen Kirchenvätern möchte im 21. Jahrhundert zugeben, noch so kleinkariert und verbohrt zu denken?

 

16. Asexuelle sind verkopfte Asketen und haben keinen Spaß am Leben.

Der Gebrauch des Gehirns hat bei asexuellen Menschen nicht dazu geführt, dass sie vor lauter Bangigkeit und Verstocktheit das eigene Lustzentrum abgeschaltet hätten. Wie wir bereits gelernt haben, geht das erstens nicht und zweitens schließen sich Asexualität und prinzipielle Genussfähigkeit in keinster Weise aus. Asexuelle können aus genügend Ressourcen schöpfen, um das Leben zu genießen, nur partnerschaftliche Sexualität gehört nicht dazu. Und wer wollte ernsthaft behaupten, dass Sexualität alleine das Leben lebenswert machen kann?

 

17. Asexualität ist durch konservative Erziehung antrainiert wurden.

Seit wann ist es möglich, durch irgendeine Art von Erziehung die angeborene sexuelle Orientierung eines Menschen ändern zu können? Dann könnte man heterosexuelle Menschen beliebig in Homosexuelle umwandeln und umgekehrt. Asexualität hat nichts mit Prüderie, mangelnder Offenheit und einem konservativen Lebensstil zu tun. Tatsächlich ist die sexuelle Beziehung zwischen Mann und Frau, gekrönt von einer kirchlich abgesegneten Trauung, wohl konservativer, als es so manch einer gerne zugeben würde. Und man könnte sich auch fragen, ob nicht im Gegenzug die heutige Übersexualisierung mit ihrem Sexzwang und dem medialen Sexhype den Menschen antrainiert worden ist.

 

Siku, Kari

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Pinocchios Erben

Der folgende, bewusst provokant formulierte Text spielt auf satirische Weise mit überkommenen Klischees über sexuell und asexuell orientierte Menschen. Wer weder über Humor verfügt noch ein Verständnis für Ironie und Sarkasmus sein Eigen nennen kann, darf diesen Beitrag getrost überlesen.

 

Seit einiger Zeit scheint der Diskurs über Sexualität an einer so schier unbegreiflichen wie verstörenden Bedrohung entflammt zu sein, die sich unter dem Deckmantel des Nicht-Wollens tarnt und damit der wollenden Mehrheit das Weltbild vermiest: Tatsächlich, die Rede ist von Asexualität.

 

Wie, so geht ein Aufschrei durch die übersexualisierte Gesellschaft,  kann ein Mensch sich mit dem Attribut des Asexuellen schmücken, ein Mensch, der doch unbestreitbar ein sexuelles Wesen ist! Die sexuelle Mehrheit scheint mit aller Macht beweisen zu wollen, was jedes Kleinkind ohnehin schon weiß: Seit Bienen und Blumen uns ein Begriff geworden sind, glüht das unstillbare Verlangen des sexuellen Begehrens in jedem Pubertierenden. Auch, wenn der davon selbst noch nicht allzu viel mitbekommen hat, mit prophetischer Gewissheit ist man sich sicher: die Zukunft wird’s zeigen.

 

Vor diesem Hintergrund gilt das Nachgeben gegenüber der teils scherzhaft als ‚animalisch‘ betitelten Triebe als heldenhafter Dienst an der gesamten Menschheit, sichert der Reproduktionsakt doch das Fortbestehen des nach Gottes Angesicht erschaffenen homo sapiens sapiens! Beinahe gotteslästerlich erscheint es da, dass eine gewisse Randgruppierung dem übersexualisierten Treiben die kalte Schulter zeigt. Wie existenziell bedrohlich diese Verhaltensweise ist, merkt man alleine schon daran, dass sich sagenhafte 1% der Gesamtbevölkerung als asexuell klassifizieren. Und wahrhaftig, wenn die sich nicht fortpflanzen wollen, dann hat das katastrophale Folgen epischen Ausmaßes! Dass die Menschheit dann aussterben wird, kann man eigentlich schon als Tatsache gelten lassen.

 

Der missionseifrige Sexuelle macht sich sogleich an die überaus notwendige Ursachenforschung, um die Asexuellen davon zu überzeugen, dass es eigentlich gar keine Asexualität gibt und sie somit gar nicht existieren können. Schnell ist das erste Argument gefunden: In der Kindheit der Betroffenen muss etwas Unaussprechliches vorgefallen sein, das dem nun psychisch gestörten Ass den Spaß an der schönsten Nebensache der Welt verleidet. Ein schwerwiegendes Trauma muss die angespannten Lenden in irgendeiner Art und Weise blockieren. Der Gang zum Psychiater liegt nahe, damit der wieder passend macht, was bisher nicht gepasst hat und den armen Opfern der Asexualität somit erstmals Lebensqualität ermöglicht, die – das wissen wir alle – nur und ausschließlich durch ein reges Sexualleben zu erreichen ist.

 

Sollte der widerspenstige Asexuelle jedoch keine dunkle Vergangenheit vorzuweisen haben, kann man ihm auch einfach die sexuelle Aufgeklärtheit absprechen und ihn in den Topf der Prüden und Frigiden werfen, die es einfach mal so richtig besorgt bekommen müssen, um die Qualitäten eines beherzt zupackenden Sexualpartners schätzen zu lernen. Hier bietet sich denn auch noch eine zweite Kategorie an: die der an sexueller Schwäche und Unlust Leidenden, denen Hormonpillen und andere Substanzen in die Hinterpforten gepumpt werden müssen, damit diese sogleich den innigen Wunsch verspüren, sich unter einem weißen Laken bedeckt heftig auf und ab zu bewegen.

 

Alternativ tauchen nostalgisch angehauchte Zeitgenossen in die zauberhafte Welt der Märchen ein, um zu erklären, was es denn nun mit der Asexualität auf sich hat. DER Traumprinz oder DIE Traumprinzessin hat einfach noch nicht den Weg in das abgedunkelte Schlafzimmer des Asexuellen gefunden. So und nicht anders muss es gewesen sein! Schließlich muss man doch mögen, was jeder mag und man muss auch machen, was alle tun. Dass man dabei dann selbst auch Spaß hat, liegt ja auf der Hand.

 

Vielleicht handelt es sich auch um einen verschüchterten AB, der ja mal gerne würde, aber niemals die Gelegenheit dazu bekommen hat. Um mit dieser persönlichen Niederlage in diesem doch so lebenswichtigen Schlachtfeld der Sexualität klarzukommen, hat er sich diese Fiktion ausgedacht, um seine schwer angeknackste Psyche nicht noch weiter zu verletzen.

 

Sollte sich allerdings jemand gegen diese tadellos logische Beweisführung stemmen und glaubhaft darlegen, sich nicht für Sexualität zu interessieren, dann hat das selbstverständlich Konsequenzen für seinen Wert als Mensch! Nicht nur ist er fortan ein Mängelwesen zweiter Klasse, nein, auch noch eines, dessen Pinocchionase vom vielen Lügen bereits einmal den Äquator entlanggewandert ist. Es liegt doch auf der Hand, dass dieser dumme Narr sich damit nur selbst etwas vormacht und den Sexuellen eine Freakshow vom allerfeinsten liefert, die sich auch der gerissenste Jahrmarktbudenbetreiber nicht besser hätte ausdenken können.

 

So einfach ist das mit der Asexualität. Pinocchio hat einen ganzen Haufen neuer Brüder und Schwestern gewonnen und die Sache ist vom Tisch. Problem gelöst!

 

Kari, Siku

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