Aromantische Asexuelle empfinden keinen Wunsch nach sexueller Interaktion mit anderen Menschen. Und als sei das nicht schon verstörend und beunruhigend genug, verspüren sie zusätzlich dazu auch keine romantische Anziehung. Das muss einfach krank sein!
Aromantik erscheint mehr noch als Asexualität wie eine unbegreifliche und verstörende Bedrohung – zwingt es doch jeden Menschen, der mit dieser Orientierung in Berührung kommt, zu einem kritischen Reflektieren des eigenen Weltbildes. Aromantiker zweifeln das omnipotente Bild des platonischen Kugelmenschen an, der stets auf der Suche nach seiner zweiten Hälfte ist.
Denn was aromantische Personen allen Ernstes behaupten: Menschen, die nicht im Paradies der Zweisamkeit schweben, müssen keine bedauernswerten Mängelwesen sein. Damit nicht genug, ist dieser Zustand sogar erstrebenswert und dauerhaft gewünscht! Ganz ohne Leidensdruck. Aromantische Menschen brauchen keinen Partner, um sich vollständig zu fühlen.
Vorurteile gegenüber aromantischen Menschen
Man muss einfach mögen, was alle mögen, man muss einfach wollen, was alle wollen, man muss sein, wie alle sind, und wenn nicht, dann würde man ja gerne, aber hat einfach nie die Gelegenheit dazu bekommen. Jemand, der sich keinen Partner wünscht…das muss einfach eine kranke, kalte, bizarre Persönlichkeit sein. Schlimmer noch: Aromantik, das darf einfach nicht existieren! Wer solche Spinnereien von sich gibt, kann sich das nur ausgedacht haben! Er schmückt sich mit dem Attribut des Aromantischen, um etwas Besonderes zu sein und um zu verschleiern, dass niemand seinerseits romantisches Interesse an ihm hat und er auf dem Partnermarkt nicht bestehen könnte, würde er sich hineinbegeben.
Solche und ähnliche Vorurteile gehören leider immer noch zum Alltag aromantisch orientierter Menschen. Auch wenn immer gerne pathologisiert wird, was fremd und anders ist: Es braucht keinen Gang zum Psychologen, damit der wieder gerade rückt, was immer schon gerade war: Aromantik und Asexualität sind romantische/sexuelle Orientierungen wie alle anderen auch. Keine Missbrauchserfahrungen, keine Traumata, keine ungelösten Kindheitskonflikte oder Probleme mit dem eigenen Erscheinungsbild und dem Selbstbewusstsein müssen dafür verantwortlich sein, wenn jemand fühlt, dass er keinen Partner braucht, um im Leben glücklich zu sein.
Und selbst, wenn sich Aromantik in dem ein oder anderen Fall tatsächlich aus einem psychischen Problem entwickelt haben sollte, macht das diese Menschen nicht weniger glaubwürdig und ernstzunehmend in ihren Gefühlen als diejenigen, die schon 'immer' aromantisch waren.
Der Traumprinz kann im Märchenland bleiben
Wie jeder andere Mensch können Aromantiker zu dieser Erkenntnis gelangen, ohne sich vorher in Beziehungen gestürzt und romantische Erfahrungen gemacht zu haben. Der Traumprinz oder die Traumprinzessin auf dem weißen Pferd ist eben nicht für jeden das Non-Plus-Ultra und die Krönung der Kür. Der perfekte Partner kann dahin zurückreiten, wo er hergekommen ist: ins Märchenland. Für Aromantiker gibt es diesen Wunschpartner schlichtweg nicht. Sie sind glücklich damit. Sie brauchen niemanden, der ihnen zeigt, wie schön der Austausch von Zärtlichkeiten in einer Partnerschaft sein kann, weil es für sie eben nicht schön wäre. Und sie sind auch nicht diejenigen, die man durch Liebe von ihrem "bemitleidenswerten Single-Dasein" erlösen muss – oder kann. Denn sie verlieben sich nicht.
Bindungsunfähig?
Sind aromantische Menschen deswegen gleich bindungsunfähig, gefühlskalt und ohne jegliche Empathie ihren Mitmenschen gegenüber? Auch wenn dieses Bild nach wie vor in der Öffentlichkeit gezeichnet wird, es ist falsch! Enge emotionale Bindungen und Freundschaften können auch von Aromantikern eingegangen werden. Dafür braucht es lediglich die Voraussetzungen, die auch für alle anderen zwischenmenschlichen Beziehungen gelten: die Chemie muss stimmen.
Siku
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Nina (Montag, 30 November 2015 19:05)
Guter Artikel !
Ich wünsche Dir noch viel Erfolg mit der Seite.
Mary (Dienstag, 01 Dezember 2015 07:28)
Leider sind aromantische Leute im öffentlichen Leben nahezu unsichtbar....
Flattermaus (Mittwoch, 02 Dezember 2015 07:28)
Das ist sehr schön zusammengefasst. Auch nach mehrmaligem Lesen bleibt mir die Lektüre eine Freude.
Flattermaus (Mittwoch, 02 Dezember 2015 07:47)
zu Mary:
Ja, daher finde ich die Öffentlichkeitsarbeit zu Aromantik noch wichtiger als die zu Asexualität. Denn Sex macht auch im Leben der meisten generell Sexuellen nur einen kleinen Teil der Lebenswelt aus. An Liebe und Partnerschaft orientiert sind sie jedoch die ganze Zeit. Wenn sie einen Partner haben, schwingt ,,mein xyz" bei jedem Gedanken mit. Und wenn sie solo sind, ist der Wunsch, das zu ändern, stets als Enthymem dabei und in jeder Situation werden alle auf mögliche Partnerschaftstauglichkeit abgeklopft.
Wir sollten uns auf ein hübsches Symbol einigen, was zu tragen und bekannt zu machen uns die Möglichkeit gibt, uns Gleichgesinnten zu zeigen und allgemein Präsens zu zeigen und anderen zu zeigen, dass unsere Freundlichkeit durchaus wertvolles Interesse am Gegenüber bedeuten kann, aber niemals in eine zärtliche Beziehung oder deren Vorstufen münden wird.
Flattermaus (Mittwoch, 02 Dezember 2015 07:49)
edit: Präsenz
Flattermaus (Mittwoch, 02 Dezember 2015 08:03)
Spontan schlage ich eine Muschel als Symbol vor. Muscheln schützen sich effektiv vor nahenden anderen. Durch freundschaftlichen Kontakt kann in unserem Inneren eine wertvolle Perle wachsen und das alles ohne geschlechtliche Liebe. Das finde ich hübsch. Aber ich überlege weiter. Was meint Ihr?
Siku (Mittwoch, 02 Dezember 2015 14:47)
Ja, ein Erkennungszeichen für Aromantiker in der Öffentlichkeit wäre ganz sinnvoll. Soweit ich weiß, gibt es da schon Symbole, auch wenn die weniger bekannt sind. Nämlich das Herz-Ass für romantisch orientierte Asexuelle und das Pik-Ass für Aromantiker. Macht aber natürlich nur Sinn, wenn dieser Code innerhalb der asexuellen Community auch weiter verbreitet und somit verstanden wird.
Flattermaus (Donnerstag, 03 Dezember 2015 08:59)
Ach, ja stimmt. Ich hatte mir sogar extra Sachen mit Pik drauf besorgt oder Pik-As und nutze das auch. Hm, eigenartig, dass mir das entfallen war.
Ach, übrigens noch eine Anmerkung hier zur Kommentarfunktion: Name und Zeit sind so nah am darüberstehenden Kommentar und mit Abstand zum dazugehörigen, dass das leicht zu Verwechslungen führen kann, wenn man nicht von oben in der Liste zu lesen beginnt.
Siku (Donnerstag, 03 Dezember 2015 09:37)
Das mit den Kommentaren lag am Design der Website, das ich jetzt geringfügig verändert habe. Jetzt kann man die Beiträge besser voneinander trennen. Danke für deinen Hinweis, Flattermaus!
Mia (Freitag, 11 Dezember 2015 17:17)
Ein wirklich schöner Beitrag, der es auf den Punkt bringt.
Nina (Mittwoch, 30 März 2016 16:15)
Ich bekomme es leider immer wieder mit, dass so über uns gedacht wird. Frag mich auch, was das soll. Ebenso erlebe ich es immer wieder, dass Leute, die nur ein bisschen unnormal sind (z.B. Asexuelle) auf die die noch unnormaler sind (z.B. Aromantiker) "runtertreten" und selbst manche Aromantiker auf z.B. Aplatoniker herabsehen und diese nicht ernst nehmen. Wann hört das endlich auf?
Rebekka (Sonntag, 08 Mai 2016 11:17)
Dieser Text ist sehr hilfreich, ich befasse mich erst seit sehr kurzer Zeit mit diesem Thema und habe mich lange Zeit falsch gefühlt, weil ich keinen Partner wollte, weil ich kein Interesse habe an Zärtlichkeiten und Beziehungen.
Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist.