Geschichten aus dem Märchenland: Aromantik und Vorurteile

Aromantik gehört nach wie vor zu den eher exotischeren Lebensrealitäten des 21. Jahrhunderts. Und wie das so bei Unbekanntem ist, ranken sich auch um die aromantische Orientierung dubioses Halbwissen und diverse Vorurteile, die eigentlich ins Reich der Mythen und Legenden gehören.

 

1. Aromantiker haben einfach noch nicht den Richtigen getroffen!

Falsch! Für aromantisch orientierte Personen gibt es keinen Wunschpartner, bei dem sie wie von Zauberhand plötzlich auf Knutschen und Fummeln stehen. Die Sehnsucht nach einer romantischen Partnerschaft ist schlichtweg nicht vorhanden.

 

2. Wie kann jemand aromantisch sein, wenn er noch nie in einer Beziehung war?

Das Wissen um die eigene aromantische Orientierung ist mit dem Wissen jeder anderen romantischen Orientierung vergleichbar und dieser Vorwand deswegen ein ganz schlechtes Argument. Oder ist jeder heteroromantische/-sexuelle Mensch potentiell homoromantisch/-sexuell, weil es ihn bisher noch in keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft gezogen hat?

 

3. Aromantik ist das Resultat vergangener schlechter Erfahrungen.

Auch ohne bisherige Beziehungserfahrung kann jemand aromantisch sein. Und selbst, wenn es einen Aromantiker bisher in eine romantische Beziehungskiste verschlagen hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass er diese gerade wegen seiner Aromantik in schlechter Erinnerung behalten hat. Einem aromantischen Menschen gefällt das typische Partnerschaftsgedöns einfach nicht.

 

4. Aromantische Menschen wünschen sich prinzipiell keine Beziehung.

Teilweise ist bei aromantisch orientierten Personen dennoch der Wunsch nach einer exklusiven Beziehung vorhanden – die Parameter hierfür richten sich aber nach den individuellen Vorlieben und nicht nach dem gängigen Partnerschaftsmodell, weshalb diese Beziehungen oftmals eher innigen Freundschaften ähneln. Viele Aromantiker bevorzugen auch das Wort 'Freundschaft' für diese Art aromantischer Verbindungen, möchten sich durch den Begriff der 'aromantischen Beziehung' aber von der gesellschaftsbedingten Abwertung der Freundschaft distanzieren und deutlich machen, dass sie ihre Beziehung als gleichberechtigt mit einer romantischen Beziehung begreifen.

 

5. Aromantik gibt es gar nicht!

Ein besonders schöner Punkt, der darauf zurückzuführen ist, dass das Vorstellungsvermögen einiger Menschen mit dem eigenen Horizont verschwimmt. Nur, weil Aromantik bisher noch nicht sehr präsent in der Öffentlichkeit ist, heißt das nicht, dass sie deswegen nicht existieren kann.

 

6. Aromantiker reden sich nur ein, mit ihrer Situation als Langzeitsingle glücklich zu sein.

Erstaunlich, dass einige sich anmaßen, über Empfindungen anderer Menschen urteilen zu können. Aromantiker sind mit ihrer Situation ohne romantischen Partner selbstverständlich glücklich. Man sollte sich an dieser Stelle von dem Klischee des unglücklichen, frustrierten Dauersingles befreien und es nicht auf aromantisch orientierte Menschen übertragen.

 

7. Aromantiker sind bindungsunfähig und haben nur Angst, partnerschaftliche Nähe zuzulassen.

Aromantische Personen wollen keine romantische Partnerschaft eingehen, das stimmt. Sind sie deswegen gleich bindungsgestört? Nein! Das Spektrum zwischenmenschlicher Beziehungen ist ein Breites, das auch freundschaftliche und familiäre Beziehungen beinhaltet und diese können natürlich auch von aromantischen Menschen eingegangen werden.

 

8. Aromantiker können nicht lieben.

Dieses Argument gehört wohl zu einem der am häufigsten vorgebrachten Vorurteile gegenüber aromantischen Menschen. Ihm liegt die Annahme zugrunde, Liebe sei als eine Art Exklusivrecht auf romantische Partnerschaften beschränkt. Dass dem nicht so ist, beweist die Existenz platonischer Liebe, die man zu Freunden, der Familie und den Haustieren empfinden kann. Fazit: Aromantiker können also sehr wohl platonische Liebe und tiefe Emotionen für andere empfinden.  

 9. Aromantiker haben ein Trauma oder eine psychische Störung.

Aromantik ist eine Orientierung und keine Krankheit. Aber selbst, wenn sie das Resultat einer psychischen Störung ist, sind diese Menschen in ihren Gefühlen genauso ernst zu nehmen wie diejenigen, die sich von Geburt an als aromantisch begreifen.

 

10. Aromantiker haben Probleme mit ihrem Äußeren und finden deswegen keinen Partner.

Das wahrscheinlich dümmste Argument in der bisherigen Liste. Wer sich zu solchen Aussagen bemüßigt fühlt, dem sei an dieser Stelle empfohlen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Sind etwa alle Menschen, die sich in einer romantischen Beziehung befinden, objektiv schön? Aromantiker wollen keinen romantischen Partner, suchen deswegen auch nicht nach einem und was man nicht sucht, kann man nicht finden. Das hat nichts mit dem äußeren Erscheinungsbild zu tun. Selbst, wenn ein aromantischer Mensch einen Partner im Lotto gewonnen hätte, würde er seinen Gewinn ganz schnell wieder am Geschenketresen abgeben.

 

11. Aromantiker sind unreif und kindisch.

Dieses Vorurteil enthält eine implizite Abwertung aromantischer Menschen, basierend auf dem Irrglauben, dass ein romantisches Intimleben ein Indikator für geistige Reife sei und Aromantiker hier einfach noch nicht so weit entwickelt seien wie ihre romantisch orientierten Altersgenossen. Wieder ist hier der Vergleich mit romantisch orientierten Personen unangebracht, zumal auch Romantiker ein unterschiedliches Tempo haben, was ihre erste Beziehung angeht – aber oftmals liegt diese vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter. Aromantiker sind also weder kindisch noch unreif, nur weil sie sich keinen Partner wünschen, sie haben einfach eine andere Orientierung und behalten diese auch als Erwachsene bei.

 

12. Aromantiker machen einen auf 'schwer zu haben'.

Die Anschuldigung, Aromantik sei eine besonders perfide Strategie, den Flirtpartner hinzuhalten, ist für aromantisch orientierte Personen verletzend. Oftmals ist es ihnen gar nicht bewusst, dass jemand gerade versucht, mit ihnen zu flirten. Abgesehen davon handelt es sich bei Aromantik nicht um berechnendes Kalkül, um eine besonders exklusive Flirttrophäe abzugeben, sondern um eine Orientierung. Sollte diese auf andere Menschen reizvoll wirken, sollten diese sich erst einmal selbst hinterfragen, warum sie es unbedingt bei einer Person versuchen müssen, bei der sich der Erfolg in Grenzen halten wird. Und die darauf folgende Zurückweisung als das akzeptieren, was sie ist: das Resultat eines Kommunikationsmissverständnisses, gepaart mit dem zwanghaften Wahn, eigene Gefühle auf das Gegenüber zu übertragen.

 

13. Aromantik ist bedauernswert.

Das wirkt vielleicht aus der Perspektive eines Romantikers so, aus der eines Aromantikers ganz sicher nicht. Wer sich mit seiner aromantischen Orientierung wohl fühlt, der muss nicht bedauert werden, weil er auch nichts verpassen kann, was ihm gefallen würde. Aromantische Menschen brauchen kein Mitleid und sie sind auch keine Menschen zweiter Klasse.

 

14. Aromantische Beziehungen sind weniger wert als romantische.

Aromantische Beziehungen können genauso eng und bedeutungsvoll sein wie romantische Beziehungen. Die Redewendung 'nur Freundschaft' sollte deswegen vermieden werden. Aromantiker sind genauso liebesfähig wie Romantiker, sie lieben nur auf unterschiedliche Weisen. Liebe bleibt Liebe, egal in welcher Verpackung sie daherkommt.

 

15. Aromantiker haben es leichter im Leben.

Sofern sich Aromantiker keine Liebesbeziehung wünschen, haben sie in diesem Bereich des Lebens tatsächlich weniger Stress. Allerdings hat auch Aromantik ihre Schattenseiten und für viele war es ein jahrelanger, oft schmerzvoller Kampf mit sich selbst, bevor sie zu dieser Orientierung gefunden haben. Und wenn sich ein Aromantiker einen aromantischen Partner wünscht, mit dem er sein Leben verbringen kann, steht er bei dieser seltenen Orientierung vor dem riesigen Problem, überhaupt jemand Passendes zu finden.

 

Siku, Kari

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Kommentare: 7
  • #1

    Mary (Donnerstag, 03 Dezember 2015 15:43)

    Besonders Nr. 10 das mit dem Aussehen regt mich total auf. Das liest man auch über Asexuelle immer wieder. Da wird in jedem Zeitungsartikel gleich hinter der vorstellung einer asexuellen Person geschrieben: ...ist eine ganz normale junge Frau mit hübschen langen Haaren oder ...ein ganz normaler junger Herr, der gepflegt aussieht. Als müsste man bei Asexuellen zusätzlich betonen, dass sie nicht wie der Glöckner von Notredame aussehen und ja gar nicht so hässlich sind.

  • #2

    Mia (Freitag, 04 Dezember 2015 07:32)

    Mir kommen die Vorurteile leider nur allzu bekannt vor ...

  • #3

    Mary (Freitag, 04 Dezember 2015 11:36)

    Nr. 15: Wer ernsthaft daran glaubt, dass es für Aromantiker heutzutage einfach ist, tut mir leid. Wir sind nahezu unsichtbar in der Öffentlichkeit, wie kann das einfacher sein als z.B. welche, die "nur asexuell" sind? Die haben doch die großen Foren und die vielen Mitglieder. Aber Aromantiker kannst du lange suchen..

  • #4

    Flattermaus (Freitag, 04 Dezember 2015 12:47)

    Also ich finde es für Aromantische einfach. Ich brauche ja nicht andere, die auch aromantisch sind. Ich komme gut mit mir selbst klar. Und mit allerlei Leuten jeglicher Orientierung kann man ja einfach nur befreundet sein. So gut wie alle haben Freunde, an denen sie ausschließlich freundschaftlich interessiert sind. Und wenn diese Freunde doch Interessen mir gegenüber entwickeln sollten, die sich anders manifestieren als meine, dann sind es in erster Linie die, die Probleme dadurch haben und nicht ich. Und für die gibt es ja noch genügend für eine Beziehung
    Geeignete.

    Mich wundern eher die dort erwähnten Aromantischen auf Partnersuche. Ja, ist man den in keiner Internet-Nische vor dem Thema der Partnersuche sicher?

  • #5

    Siku (Freitag, 04 Dezember 2015 14:04)

    Ich wollte es erwähnen, weil es offenbar aromantische Personen gibt, die sich eine Art freundschaftliche, aber dennoch exklusive Beziehung wünschen und auch aromantische Sexuelle, die kein Verliebtheitsgefühl zu ihrem Partner aufbauen können.

    Da ich mich aber weder zur einen noch zur anderen Gruppe zähle und mich deshalb auf diesen Gebieten naturgemäß nicht besonders gut auskenne, wird es nicht allzu viele Beiträge zur aromantischen Partnersuche geben. Allenfalls zur platonischen Liebe. Sollte jemand sich dennoch solche Beiträge wünschen, müsste derjenige mir in einer E-Mail seine Gedanken zukommen lassen und ich würde sie dann hier veröffentlichen.

  • #6

    Mia (Freitag, 04 Dezember 2015 20:46)

    Zu den Aromantischen auf Partnersuche: Im Prinzip ist es ja möglich, so eine Aromantikerbeziehung zu haben, stelle mir das vor wie eine Beziehung mit dem besten Freund. Nur wie das ganze in der Praxis aussehen soll und ob die dann auch zusammen ziehen wollen, da bin ich überfragt. Und Aromantiker, die sexuell sind, verstehe ich leider überhaupt nicht.

  • #7

    Mara (Mittwoch, 09 Dezember 2015 13:27)

    Wenn man ganz streng nach Definition geht, heißt Aromantik ja nur die Abwesenheit von romantischer Anziehung. Aromantiker kann es doch auch wie Asexuelle in Beziehungen führen, wenn sie nicht auf ihr Gefühl hören und das nur machen, weil es halt alle so machen. Es bekommt doch nicht gleich jedermann romantische Gefühle, bloß weil er sich in einer Beziehung befindet.