Spieglein, Spieglein an der Wand...

…zeig mir den unglücklichsten Single im ganzen Land!  Wie das psychologische Konzept der Projektion zu Vorurteilen über Aromantik führt.

 

Gleich vorneweg: Gegen Menschen, die aufgrund persönlicher Umstände trotz Beziehungswunsch noch keinen Partner hatten oder gegen solche, die nach der letzten Beziehung zum frustrierten Dauersingle mutiert sind, soll hier kein Kriegsbeil geschwungen werden. Die Klischeevorstellungen, die die kollektive Mentalität aus den Lebensentwürfen dieser Menschen generiert, erweisen sich allerdings als überbordender Quell voller unerwünschter Vorurteile gegenüber Aromantikern.

 

Im romantischen Weltbild ist eine Partnerschaft der Weg zur Glückseligkeit und die Abwesenheit derselben kommt einer Garantie fürs persönliche Unglück gleich. Wer das eigene romantische Weltbild auf aromantische Menschen projiziert und diese somit zu infantilen, unglücklichen Mängelwesen degradiert, sollte sich bewusst machen, dass zwischen Aromantikern und frustrierten Dauersingles oder ABs keine Schnittmenge besteht.

Freiwilligkeit und Leidensdruck sind hier zwei ganz entscheidende Begriffe, denn ein Aromantiker favorisiert den partnerlosen Lebensentwurf und verspürt dabei keinerlei Leidensdruck, während unglückliche Singles und ABs sich nach erfüllender Partnerschaft sehnen und unter der fehlenden Zweisamkeit leiden.

 

Aus der Not eine Tugend machen                                                                                 

Projiziert man die Klischeevorstellungen frustrierter Alleinstehender auf die im Regelfall ebenfalls alleine lebenden aromantischen Menschen, erscheint Aromantik schnell als elegante und unverfängliche Antwort auf die Drangsalierung  durch Außenstehende. Auf die drängenden Fragen nach der nächsten Partnerschaft, die in besagten Klischeevorstellungen für Dauersingles und ABs gerne als unerreichbarer Heiliger Gral dargestellt wird, lässt sich überzeugend mit dem Satz antworten, dass der betreffende Single gar keine Partnerschaft sucht, alleine glücklich ist und jetzt erst die Freiheit des Lebens genießen kann. Aus der Not der fehlenden Verpartnerung wird im Handumdrehen die Tugend selbstbewusster Autonomie.

 

Der Grund für jene Antworten, die in den besprochenen Beispielen unglücklicher Singles gerade nicht der Wahrheit entsprechen, liegt in der Stigmatisierung von Langzeitsingles und ABs in der heutigen Gesellschaft. Wer trotz dem Wunsch nach einer Partnerschaft auch nach langem Suchen keinen Partner findet, hat offensichtlich ein paar Leichen im Keller. Mit diesem Menschen stimmt doch etwas nicht! Sei es das Äußere oder das Innere, irgendetwas hat da einfach faul zu sein!

Unbeachtet bleibt bei diesen Annahmen, dass Menschen in Beziehungen keinesfalls alle ambitionierte Perfektionisten sind, die auf jeder Ebene des Lebens im Erfolg nur so schwimmen und deren goldener Charakter nur noch durch das atemberaubende Äußere in den Schatten gestellt wird.

 

Achtung, unreflektierte Projektion!

Projektion ist ein tiefenpsychologisches Konzept, das ziemlich gut erkannt werden kann, hat man einmal die zugrunde liegenden Muster analysiert. Eigene Eigenschaften, Schwächen oder Probleme werden aus dem eigenen Erfahrungshorizont heraus und aus Gründen der Wahrscheinlichkeit auf andere Menschen übertragen. Von sich auf andere schließen als Mittel der Welterklärung.

 

Wer sich selbst ohne Partner als unvollständig begreift, tendiert leicht dazu, diese Mangelerfahrung auch auf andere partnerlose Menschen zu übertragen. Wer selbst als frustrierter Single die Wunden seiner letzten Beziehung leckt, wird ähnliche Enttäuschungen auch hinter der Beziehungslosigkeit anderer vermuten. Wer Beziehungsarbeit als fordernd und anstrengend erlebt, hält es für wahrscheinlich, dass diese Mühen auch von anderen gescheut werden. All diesen Annahmen ist gemeinsam, dass sie von außen allein aufgrund persönlicher Erfahrungswerte auf andere Menschen projiziert werden.

 

Es gilt jedoch zu beachten, dass Aromantik als Orientierung keine elegante Lösung für die nervigen Nachfragen der Verwandtschaft ist und auch keine Kapitulation angesichts der als zu hoch empfundenen Anforderungen für eine Partnerschaft darstellt. Wer von solchen Annahmen ausgeht, erweist sich als menschlicher Projektor, der die Lebensentwürfe anderer Menschen gnadenlos den eigenen Maßstäben anpasst und seine Interpretation der Realität für bare Münze nimmt.

 

Handelt es sich bei dieser Interpretation nun zwangsläufig um die Wahrheit? Nein! Jeder Mensch ist in seiner Individualität zu erfassen und nicht über spiegelhafte Projektionen, die durch das eigene Empfinden und gesellschaftliche Klischees gespeist werden. Der Spiegel, in den man sieht, zeigt nämlich immer nur das eigene Gesicht.

 

Siku

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Kommentare: 5
  • #1

    Mia (Mittwoch, 09 Dezember 2015 19:14)

    Ich stimme zu ! Die Leute sollten nicht von dich auf andere schließen!

  • #2

    Mia (Mittwoch, 09 Dezember 2015 19:16)

    Ich meinte natürlich sich :)

  • #3

    Mary (Mittwoch, 09 Dezember 2015 21:12)

    Trotz der nervenden Außenbeurteilung von singles bin ich froh, dass man heute noch relativ unbehelligt so leben kann. Früher ist man als Single viel mehr aufgefallen, war sicher nicht nett.

  • #4

    Sarah (Donnerstag, 10 Dezember 2015 19:00)

    Kenne auch solche "menschlichen Projektoren" und bin immer wieder genervt davon. Ich dränge denen doch auch nicht meine aromantische Sicht auf und rede ihnen ihre Beziehunge madig, da könnten sie sich schon etwas zusammennehmen.

  • #5

    Mara (Freitag, 11 Dezember 2015 07:57)

    Mir wurde auch schon so einiges hier aufgezählte vorgeworfen, ua ich wäre mal übel verletzt worden und würde daher einer Partnerschaft aus dem Weg gehen.