Sex ohne eine wie auch immer geartete Beziehung zur Romantik hat keinen guten Ruf. Wer aromantisch und sexuell aktiv ist, macht sich als notorischer One-Night-Stand-Sucher, Affärenenthusiast und kalter Egoist verdächtig, dem es an Bindungswilligkeit und emotionaler Reife mangelt.
Sie manipulieren, lügen und betrügen, um ihr Gegenüber durch Vorspiegelung falscher Tatsachen ins Bett zu bekommen. Es gibt keinen Trick, den sie nicht schamlos anwenden würden, um ihre sexuellen Gelüste an anderen Personen auszuleben und diese kaltblütig mit gebrochenem Herzen zurückzulassen. Denn ihnen sind die Emotionen anderer Menschen völlig egal – so viel zu den Klischees über sexuelle Aromantiker: sexuell aktive Personen, die keine romantische Anziehung zu ihren Sexualpartnern verspüren.
Obwohl sexuelle Aromantiker existieren, würden sie sich höchstwahrscheinlich nicht als solche identifizieren. Wer emotionale Bande zu anderen Personen knüpft und dabei sexuelle Anziehung verspürt und das in einer Kultur, die fortwährend romantische und sexuelle Orientierung miteinander verwechselt, wird sich – selbst wenn das nicht der Fall ist – für eine Person halten, deren romantische Orientierung mit der sexuellen Orientierung übereinstimmt.
Vielleicht auch deshalb, weil sexuelle Aromantiker keine romantischen Gefühle kennen und die sexuelle Anziehung, die sie zu anderen Personen verspüren, selbst mit romantischen Gefühlen verwechseln. Denn Sex scheint in der heutigen Zeit der Definition einer romantischen Beziehung gleichzukommen. Wer dabei noch freundschaftliche Gefühle für sein Gegenüber hegt, wird sich nicht als anders begreifen, auch wenn ihm romantische Gesten in der Beziehung schwerfallen.
Insbesondere, wenn Sex mit im Spiel ist, schlägt das kulturelle Konstrukt der Amatonormativität unbarmherzig zu. Die romantische Hierarchie fordert für das Idealbild der monogamen romantischen Zweierbeziehung den ersten Rang ein und wertet die Sexualität derjenigen als schlecht und minderwertig ab, die diese nicht an die Romantik binden. Wer Sex und Liebe klar trennen kann und das auch so lebt, gilt als charakterlich defizitär und moralisch verwerflich. Mit einem solchen Verhalten kann man sich doch nur das Hintertürchen für viele sexuelle Kontakte und Unverbindlichkeit offenhalten wollen...und dabei einen Scherbenhaufen hinterlassen!
Dabei müssen sexuelle nichtromantische Beziehungen nicht zwingend oberflächliche One-Night-Stands oder kurze Affären sein. Natürlich kann auch das der Fall sein und es wird einige Leute geben, die genau diese unverbindlichen Begegnungen genießen. Aber viele Menschen nehmen zu Unrecht an, dass dieses Schwarzweißbild auf alle aromantischen Sexuellen zutrifft.
Fakt ist: Es ist möglich, Sex außerhalb des Kontextes einer romantischen Liebesbeziehung zu haben und dabei keinen der Involvierten zu verletzen. Ob es sich um eine angestrebte längerfristige Partnerschaft, das Friends-With-Benefits-Modell oder einen One-Night-Stand handelt: Das A und O ist eine offene und ehrliche Kommunikation aller Beteiligten, um Missverständnisse zu vermeiden und falschen Erwartungen zuvorzukommen.
Der Schmetterlinge-im-Bauch-Effekt, Küsse, Händchenhalten und Kuscheln mögen in aroman-tischen Beziehungen wegfallen, dennoch können sexuellen Aromantikern die Gefühle ihres Gegenübers wichtig sein. Denn es gibt sie auch: Diejenigen, die ihre Sexualpartner leidenschaftlich gerne haben, deren gegenseitige Verbindung an emotionaler Intensität einer engen Freundschaft gleichkommt, die einander auch ohne romantische Gefühle ernstnehmen und die vielleicht trotz Differenzen in der romantischen Orientierung eine Langzeitbeziehung anstreben – zwar ohne Romantik, aber ganz sicher nicht ohne Gefühle!
Wo die romantischen Aspekte einer Beziehung nicht erwünscht sind, kann die freundschaftliche Ebene und das Vertrauen dem anderen gegenüber sehr wichtig sein – und ebenfalls die Grundlage für eine innige Bindung bilden.
Anmerkung zum Text: Bei den oben stehenden Ausführungen handelt es sich lediglich um meine subjektive Perspektive. Ich identifiziere mich nicht mit sexueller Aromantik und kann daher über die Lebensrealität und Gefühlswelt dieser Menschen nur spekulieren.
Siku
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Mary (Mittwoch, 30 Dezember 2015 20:03)
Gut, dass du auch die sexuellen Aromantiker erwähnst. Warum sollte es die nicht geben? Auch wenn die meisten wohl tatsächlich einen ähnlich schlechten Ruf haben werden wie die Asexuellen Aromantiker. Das wirft die Frage in den Raum, ob die Stigmata tatsächlich mehr an der Aromantik hängen als an der Sexualität und die Aromantik im Kopf der meisten Menschen etwas so Horrormäßig schlechtes ist...was meint ihr?
Mia (Mittwoch, 30 Dezember 2015 21:13)
Zu Mary: Das hatten wir ja bereits oft, dass Verliebtheit mit Emotionen empfinden können gleichgesetzt wird. Ich denke daher rührt der schlechte ruf der Aromantiker egal ob sexuell oder asexuell...die Leute halten uns für herzlos und kalt !
Neo (Donnerstag, 31 Dezember 2015 04:16)
Über Aromantiker, die Sex wollen, habe ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht...
Man muss die von denen trennen, die bewusst Affären und ähnliches suchen, obwohl sie sich generell verlieben könnten. Das können sexuelle Aromantiker ja nicht.
bet (Donnerstag, 31 Dezember 2015 10:58)
dafür dass du's selber nicht bist find ich den text doch sehr gelungen! die kategorie aromantisch ist für jeden was der dsmit seine gefühle besser versteht und die auch andern besser verständlich machen kann.
ich bin auch aroace und bashe nicht gegen sexuelle und sag die ham 'nen schuss wech. würden die uns jetzt auch noch leben lassen, gäbs überhaupt keinen stress.
Aaron (Donnerstag, 31 Dezember 2015 13:24)
Wenn sich ein Mensch zeitgleich zu seiner Aromantik mit einer sexuellen Orientierung identifiziert, hat der es ganz sicher nicht leicht. Besonders die Außenwirkung im Sinne eines "Players" muss vermieden werden. Frauen, die so leben, haben es in unserer Kultur da auch nicht leichter (S-Wort). Denn von Frauen wird mehr als von Männern erwartet, sich nach Romantik in der Partnerschaft zu sehnen.
Mara (Donnerstag, 31 Dezember 2015 14:07)
Aaron, sehr gut beobachtet. Frauen sollen immer romantisch sein und auch immer Kinderwunsch haben.
Luna (Donnerstag, 31 Dezember 2015 18:28)
Diese Vorverurteilung von Frauen als "kinderbesessenen Romantikerinnen" lässt sich wie ich finde ganz gut durch die Erziehung erklären. Von klein auf werden Märchenszenarien gesponnen mit dem rosa Schloss, dem netten Prinzen und der Prinzessin und dann natürlich dem obligatorischen Nachwuchs. Man sollte da vllt mal an Alternativen denken und klar machen, dass Romantik und Kinder zwar eine Option sind aber nichts sind, was auf jeden passen muss.
Raffael (Donnerstag, 31 Dezember 2015 22:01)
Nun, als Mann hat man den Nachteil bei der Sexualität (alle Männer wollen nur poppen) und als Frau bei der Romantik. Das zeigt ja wohl, wie hirnrissig diese Genderkonstrukte sind?!
Flattermaus (Freitag, 01 Januar 2016 20:24)
zu Luna:
Also ich mag ja Krönchen, rosa und Glitzer, aber den Bezug zu einem daraus resultierenden Lebensweg kann ich nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Meist erfolgt ein Kinderwunsch ja erst, wenn diejenigen ihre eigene Prinzessinnenzeit schon lange hinter sich gelassen haben.
In meinem persönlichen nahen Umfeld hat mir meine Aromantik übrigens noch nie Probleme gemacht, von denen zeigen alle Verständnis und finden das interessant und sogar toll, weil sie verstehen, dass mit Aromantik (besonders in Kombination mit Asexualität wie bei mir) gewisse Schwierigkeiten im Leben gar nicht erst auftreten. Seltsam, mich bevormundend, mich nicht ernst nehmend, vorurteilsbeladen und dergleichen reagieren nur mehr oder weniger Fremde. Aber wahrscheinlich hätten solche überaus bornierten Menschen sich schon von vorn herein nie auf persönlicheren Umgang mit mir unkonventioneller Person eingelassen und setzen bei einem bunten singenden Paradiesvogel wie mir sowieso nichts als normal voraus.
Nina (Mittwoch, 30 März 2016 15:52)
Ich finde Sex ohne Liebe überhaupt nicht schlimm oder komisch.
Wenn ich nicht asexuell wäre, würde ich es vermutlich auch so machen. Natürlich sollte man sich vorher darüber absprechen und beide sollten dasselbe wollen. Ich finde es nicht gut, dass diese Menschen als schlecht dargestellt werden.