Ein Erfahrungsbericht zur Aromantik.
Als ich mich dazu entschlossen hatte meine Erfahrungen zu teilen, saß ich erstmal eine Weile vor dem leeren digitalen Stück Papier. Nicht weil
es mir schwerfällt darüber zu schreiben, sondern weil ich einfach nicht wusste, wie ich anfangen soll.
Ich weiß noch nicht lange, dass ich aromantisch und asexuell bin. Der Grund hierfür ist vor allem der, dass ich mir nie Gedanken über meine Sexualität oder eine Partnerschaft gemacht habe. Erst
als mich meine Freunde und Familie immer öfter darauf angesprochen haben setzte ich mich intensiver mit meiner Orientierung auseinander. Denn irgendwann stellte ich mir selbst die Frage, die ich
schon so oft gehört hatte: „Zu welchem Ufer gehörst du denn? Bist du überhaupt an dem einen oder anderen richtig aufgehoben?“
Daher fing ich an, in den Erinnerungen meiner Kindheit und Jugend zu forschen. Hier stellte sich vor allem die Frage, ob ich jemals verknallt
bzw. verliebt war. Ich hatte damals zwar vor allem mit den Jungs gespielt und mich auch wie einer verhalten, aber niemals waren Gefühle romantischer Art im Spiel. Lediglich Klassenkameraden
starteten sofort Gerüchte über eine bestehende Liebe, wenn ich mit einem Jungen befreundet war und wir uns einfach nur gut verstanden. Dieses Muster zog sich über die ganze Schulzeit hin.
Ich beobachtete anfangende, laufende und zerbrochene Beziehungen anderer. Die anfängliche Euphorie, unglaublich nervige Schwärmereien und meiner Meinung nach übertriebenes Glück wurden nicht
selten von tiefer Trauer, Dramatik und schließlich Hass und Neid abgelöst. Genauer kann ich mich nicht in diese Gefühlswelt versetzen, doch mir war schon bei der ersten unfreiwilligen Vorführung
dieses Schauspiels klar: Das möchte ich auf keinen Fall haben!
Ich machte jedem deutlich, dass ich weder einen Freund/eine Freundin haben möchte und ganz sicher niemals heiraten würde, da schlichtweg kein Interesse bestand. Daraufhin folgte der Satz, den
wahrscheinlich jeder schon hören musste: „Du bist noch viel zu jung, um das zu wissen. Ich frage dich in fünf Jahren nochmal.“. Erstaunlicherweise muss ich mir mit Mitte 20 immer noch diese Leier
anhören und blocke sie inzwischen jedes Mal geduldig ab.
Vor nicht allzu langer Zeit fand ich dann endlich die Ablöse für meine zufällig gewählten Worte, wie: „Ich möchte einfach keinen. Ich hasse Liebe. Ich will von diesem Geplänkel nichts wissen. Ich
finde das alles super eklig.“ Es ist sicher nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass mich eine Welle der Erleichterung durchfuhr, als ich den Begriff „Aromantik“ entdeckt habe. Zuvor hatte ich
immer gesagt, dass ich asexuell bin (was mir Freunde gesagt haben), fand das Wort aber immer etwas unpassend. Denn irgendwie schien er nicht alles abzudecken.
Dass ich nie das Bedürfnis nach Sex hatte und haben werde, ja. Aber was ist mit meiner Abscheu gegenüber Zärtlichkeiten? Allein schon das
Beobachten von diesen finde ich widerlich. Jedes Mal verdrehe ich die Augen oder wende mich ab, wenn ich ein schmusendes Pärchen beobachte. Sei es in der Öffentlichkeit oder sogar in einem Film.
Daher kann ich es auch z.B. überhaupt nicht leiden, wenn man mich nur auf die Backe küsst. Über das Thema Liebe spreche ich ebenfalls nicht gern, was auch an meiner fehlenden Erfahrung und meinem
Desinteresse demgegenüber liegt.
Nun kann ich mich also endlich unter einem Begriff beschreiben und weiß zudem, dass ich nicht allein bin.
Trotzdem weiß nicht jeder Bescheid. Nur Freunde wissen davon, doch meine Familie hofft weiterhin, dass ich irgendwann einen Lebensgefährten mit nach Hause bringe. Ich kann sehr gut verstehen,
dass sie mich nicht für immer allein leben sehen wollen. Und ich kann ebenso nachempfinden, dass es als Romantiker schwer sein muss meinen Standpunkt zu verstehen.
Denn für viele ist die große Liebe zu finden und mit ihr den Rest des Lebens zu verbringen das größte Glück überhaupt. Für mich allerdings nicht. Daher muss ich mit dem Umstand leben, dass mich manche für psychisch gestört oder einfach nur anormal halten. Wie so oft lehnen sie genau das ab, was sie nicht verstehen können. Daraus folgen Erklärungen, die für sie Sinn machen, auf mich aber überhaupt nicht zutreffen.
Andere wiederum finden es faszinierend und akzeptieren meine Einstellung voll und ganz. Leider gibt es in meinem Umkreis nicht so viele Menschen, die so denken. Hier fehlt schlicht die Aufklärung
und Auseinandersetzung mit etwas bisher Unbekanntem. Und leider sind auch nicht viele bereit diesem eine Chance zu geben. Doch solange ich mir treu bleibe, indem ich mich
nicht verstelle, kann ich damit leben. Irgendwann wird die Akzeptanz die Ablehnung ablösen- da bin ich mir sicher. Und solange kann ich warten.
Maria
Der Anlass, sich mitzuteilen, entsteht oft aus einem gewissen Leidensdruck und das Erkennen der eigenen Asexualität und Aromantik wird erst notwendig, wenn man die Abgrenzung durch andere merkt. Die Darstellungen der Konflikte, die mit diesen unbekannten Orientierungen einhergehen, verdienen sicher gelesen zu werden. Ich möchte aus meiner persönlichen Perspektive eine weniger dramatische Darstellung einreichen.
Mir geht es gut. Ich bin 23 Jahre alt, lebe alleine in Köln, studiere bisher erfolgreich Jura, hatte nie eine Beziehung und war deshalb auch niemals unglücklich.
Für mich war das alles immer selbstverständlich. Schon als kleines Kind war mein Lieblings-Disneyfilm Alice im Wunderland, da es der einzige ohne Liebesgeschichte war. Natürlich war er ein Flop an den damaligen Kinokassen... Mein Lieblingsmärchen war die Geschichte vom Gevatter Tod. Es war die einzige ohne Happy End in Form eines „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute glücklich und zufrieden [in ihrer monogamen Liebesbeziehung]...“ Auch Max und Moritz waren nach meinem Geschmack.
Die zaghaften Versuche meiner Mutter, mir Geschichten mit Liebeskitschelementen zuzuführen, scheiterten. Einmal gab sie mir Die Päpstin zu lesen. Ein tolles Buch über ein junges Mädchen, das sich während des Mittelalters zu emanzipieren versuchte und es bis zum Papst brachte. Dann kam der obligatorische Liebesplot und ich habe das Buch nach ¾ beiseitegelegt und nicht mehr gelesen. Mit meinem besten Freund guckte ich die aktuellen Serien wie Pokémon, Dragon Ball, One Piece, Digimon und andere Shônen Animes, in denen den Protagonisten Romantik fremd ist und Liebesgeschichten keinen Stellenwert haben.
Aber das allherrschende Konzept der monogamen Liebesbeziehung machte auch vor mir nicht halt. Beim Mutter-Vater-Kind spielen war ich grundsätzlich der Vater und konnte sogleich „Arbeiten gehen“, also mich in den Sandkasten absetzen, um mich somit vorerst noch zu entziehen. Habe ich Liebesbeziehungen von Erwachsenen als Kind hinterfragt, wurde ich ausgelacht und beschwichtigt. Man prophezeite mir: Würde ich erst in die Pubertät kommen, würde es mich schon erwischen und dann würde mir alles klar werden.
Nun bin ich jung, aber auch nicht mehr ganz so jung. Die Pubertät liegt hinter mir. Verliebt war ich nie. Sexuell erregt von jemandem, ein Prickeln, Aufregung, Schweiß, wenn mir jemand begegnete? – Fehlanzeige. Mir ist gar nichts aufgegangen. Als ich 22 wurde und meine Mutter mich zum Geburtstag anrief, kam die erste zögernde Frage. Warum gab es da nie jemanden? Leute wurden hellhörig bei jedem Namen, den ich fallen ließ. War das der heimliche Partner? Die Affäre? Sind das „nur“ Freunde, mit denen ich meine Zeit verbringe? Zwischen mir und meiner Familie liegen 300 km, genug Raum für Spekulationen, aber auch genug Raum, um Distanz zu wahren.
Ich war mir früh bewusst, wie ich leben wollte. Um ehrlich zu sein, zwang sich mir ein gewisser Lebensstil schon auf, seit ich denken kann. Ich genüge mir selbst. Ich möchte alleine leben, ich bin als Individuum vollständig, ganz und heil. Das habe ich tatsächlich (sic!) genau so mein ganzes Leben lang betont. Meiner Mutter antwortete ich: „Da ist niemand. Und ich will auch niemanden.“ Damit habe ich sie enttäuscht. Wenn ich meine Perspektive zur Romantik erkläre, bin ich „das menschliche Maschinengewehr.“ Bin zu analytisch, zu verkopft, zu rational. Wenn ich versuche, es mir erklären zu lassen, bleibt ein „Es ist nicht immer alles so logisch und erklärbar.“
Nun kann ich natürlich nicht verlangen, verstanden zu werden. Ich verstehe Romantiker ja auch nicht. Nur begann es im letzten Jahr, dass ich auf einer Geburtstagsfeier verkuppelt werden sollte. Probleme mit Leuten in Kontakt zu treten hatte ich nie, auch echte, tiefe Freundschaften, teilweise seit 15 Jahren, sind mir nicht fremd. Trotzdem schien man es für nötig zu halten, meinem Liebesleben nachzuhelfen. Jede heterosexuelle Freundschaft meinerseits wurde begeifert. Meinem Gegenüber wurden Hoffnungen aufgeschwatzt, die ich selbst mitnichten bestätigen konnte.
Wenn ich klipp und klar äußere, dass ich keine Beziehung will, wird daraus ein „Daran kann man arbeiten.“ Wenn diese Freunde dann Partner hatten, war ich regelrecht erleichtert. Der Fluch, ständig für ein Paar gehalten zu werden, fiel ab. Aber manche aus meinem Umfeld blickten tatsächlich kopfschüttelnd auf mich herab. Hatte ich doch wieder meine tolle Chance nicht ergriffen...
Das letzte Weihnachtsfest feierte ich – wie jedes Jahr – mit meinem besten Freund. Der ist bisexuell, extrem extrovertiert, arbeitete eine Zeitlang in einem Club an der Theke und geht gerne und oft auf die Piste. Als er anfing, noch einmal lang und ausführlich über seine Erfahrungen mit der schwulen Szene, seinen Konflikten mit dem Label Bisexuell und allem was damit einherging zu reden, hielt ich es für fair, ihm auch meine persönliche Perspektive zu schildern.
Dass ich Jungfrau bin, war für ihn tatsächlich ein Schock und dieser Schock hat wiederum mich schockiert. Ich hatte gehofft, er hätte die Wahrheit erahnen können, aber er muss mir stattdessen ein Sexualleben angedichtet haben. Ich habe versucht zu erklären, dass mir gar nicht der Sinn danach steht, etwas daran zu ändern, allerdings folgte an diesem Weihnachten ein langes „Asexuelles Bingo“...
Dieses Jahr haben wir uns natürlich wieder getroffen und uns weitestgehend ausgeschwiegen. Manchmal machte er Reflexvergleiche à la „Würdest du mit so jemand [füge beliebiges Attribut ein] zusammen sein...oh ja, du machst sowas ja nicht...mmh...“
Das wird wohl alles seine Zeit brauchen.
Meine Konsequenzen habe ich jedoch bei vielen gezogen. Checke ich die Dinge durch, die ein anderer Mensch von mir erwarten darf, stelle ich fest: Ist man finanziell unabhängig – wie ich momentan mit BAföG und Nebenjob – muss man sich nicht verbiegen lassen. Manche Menschen kontaktiere ich nicht mehr. Es fehlt manchmal einfach der Respekt vor meiner eigenen Perspektive, die ich selbst ja jeder sexuell und romantisch orientierten Person zugestehe. Nur das dies nicht als Zugeständnis gewertet wird: Die Norm bedarf ja keiner Billigung.
Anonym
Ein Erfahrungsbericht einer asexuellen Aromantikerin über die negativen Folgen des patholo-gisierenden Diagnosewahns bezüglich Aromantik und
Asexualität.
Da ich früher unabhängig von meiner romantischen und sexuellen Orientierung an sozialen Ängsten litt, wollte ich gerne thematisieren, wie man deswegen als
Aromantiker pathologisiert werden kann.
Meine ganze Jugend bis hin zum jungen Erwachsenenalter habe ich unter sozialen Ängsten gelitten. Diese kamen hauptsächlich durch meine autistischen Züge, aber leider auch durch meine Erziehung bzw. durch den nahezu zwanghaften Versuch, mich um jeden Preis „normal“ machen zu wollen. Aufgrund dessen kam ich öfters mit Psychotherapeuten in Berührung.
Durch die konsequente Konfrontation und Auseinandersetzung mit anderen Menschen, vor allem Gleichaltrigen, haben sich die Probleme nach und nach gebessert. Auffällig war jedoch, dass ich mir dennoch keinen Partner wünschte und genau darin bestand aus Sicht meiner Mitmenschen immer noch ein „Problem“.
Angeblich hätte ich immer noch Angst vor einer Liebesbeziehung. In allen anderen Bereichen hatte ich gelernt, mit meiner sozialen
Empfindlichkeit umzugehen und soziale Signale richtig zu deuten. Beim Thema „Liebesbeziehungen“ blieb ich aus Sicht der anderen allerdings immer noch „gestört“.
Mein komplettes Umfeld unterstellte mir ständig, dass meine Aromantik nur eine Schutzbehauptung wäre und ich in dem Bereich noch nicht soweit sei, an meinen sozialen Ängsten und an der Angst vor
dem anderen Geschlecht zu arbeiten.
Besonders in Therapiekliniken wurde meine aromantische Orientierung nicht ernst genommen. Ich hatte sowohl dort als auch im richtigen Leben immer wieder Verehrer. Das an sich fand ich nicht schlimm, dafür aber die Art und Weise, wie das Personal der Kliniken darauf reagierte.
Alle freuten sich mit mir, worüber ich mich wunderte, weil in Kliniken Beziehungen eigentlich nicht gerne gesehen werden. Bei mir war das anders. Offenbar nahmen die Mitarbeiter dies als Zeichen einer weiteren Gesundung meinerseits wahr. Man konnte ihnen ihre Erleichterung richtig ansehen; sie waren froh darüber, dass es bei mir anscheinend doch noch klappen würde mit der romantischen Liebe.
So wurde mir sehr häufig vom Pflegepersonal und den Ärzten zugelächelt, wenn sie mich zusammen mit einem meiner Verehrer sahen. In ihren Blicken konnte ich lesen, dass ich mich in eine von meinem Umfeld gewünschte Richtung entwickelte, wenn ich mich darauf einlassen würde. Allerdings fühlte ich mich damit ziemlich unwohl. Ich wollte und will keine Beziehung.
Dass ich auf einmal für deutlich gesünder gehalten wurde, als ich von potentiellen Verehren umgeben war, hat mir sehr zu denken gegeben. Diese Spiegelung durch meine Mitmenschen hat meine psychische Situation sogar verschlechtert. Durch das vorgespielte sozial erwünschte Verhalten haben sich meine Minderwertigkeitskomplexe noch verstärkt.
Denn ich habe zwar sozial erwünschtes Verhalten gezeigt, aber es war nicht das, was ich wirklich gefühlt habe. Ich habe damals ernsthaft bei einem meiner Verehrer überlegt, ob ich so tun
soll, als ob ich auch in ihn verliebt wäre, aber ich habe das nicht übers Herz gebracht. Also haben wir uns ohne romantische Intentionen meinerseits angefreundet, was allerdings schwierig war, da
er sich immer noch erhoffte, eine Beziehung mit mir führen zu können.
Weil wir uns in der Klinik gelangweilt haben, verbrachten wir viel Zeit miteinander. Wir hatten viel Spaß und als Mensch war er interessant. Natürlich entging das auch dem Personal nicht. An sich hätte mir ihre Freude gefallen, aber die Tatsache, dass sie sich nur freuten, weil sie dachten, dass wir in einer romantischen Beziehung sind, störte mich.
Eines Tages sagte mein „Freund“ zu mir: „Ich hatte heute wieder Therapiestunde (er hatte eine andere Therapeutin als ich) und meine Therapeutin hat mir Tipps gegeben, wie ich mich verhalten könnte, um attraktiver auf dich zu wirken.“
Ich hielt das erst für einen Scherz und dachte, er hätte sich das Ganze nur ausgedacht, um mir klarzumachen, wie gerne er eine Beziehung mit mir führen würde.
Leider entsprach es der Wahrheit. Ich sagte also zu meinem „Freund“, dass er sich keine Mühe zu
geben brauche, denn ich würde ihn auch nicht als Partner haben wollen, wenn er anders (und seiner Meinung nach besser) wäre. Er fragte mich auch weiterhin oft, was er denn ändern müsse und nervte
mich sehr damit – dennoch blieben wir befreundet.
Nach ein paar Wochen bin ich dann auf eine andere Station verlegt worden, er blieb auf der alten. In dieser Zeit telefonierten wir fast täglich. Normalerweise tat ich das von meinem Handy aus, aber an einem Tag war es kaputt. Ich rief ihn also vom Patiententelefon aus an, welches sich auf dem Gang vor dem Dienstzimmer befand. Die diensthabende Mitarbeiterin hat natürlich alles mithören können, aber das war mir relativ egal. Nicht egal war mich jedoch, dass sie mich danach grinsend ansprach und sagte, dass sie sich für mich freue, weil ich offenbar in ihn verliebt wäre und das doch so schön für uns sei. Ich widersprach ihr und sagte, dass wir uns einfach nur gerne miteinander unterhalten. Doch das glaubte sie mir nicht.
Überhaupt ist mir in dieser Zeit aufgefallen, dass es von Therapeuten und Psychologen gerne gesehen wird, wenn sich ihre Patienten mit sozialer Phobie/ sozialer Gehemmtheit verlieben und im „Idealfall“ eine Partnerschaft eingehen. Das scheint für sie der Beweis zu sein, dass ihr Patient jetzt wirklich gesund ist, denn Liebesbeziehungen gelten als der größte „Beweis“ für eine Verringerung sozialer Ängste.
Auch später, als ich in einer betreuten WG lebte, gab es dort einen Mitbewohner, der Beziehungsinteresse an mir hatte. Leider steckte ich damals in finanziellen Schwierigkeiten und hoffte naiverweise, dass er mir da raus helfen könnte. Also wehrte ich den Kontakt zu ihm nicht ab. Nach kurzer Zeit machte es auf Außenstehende den Eindruck, als ob wir ein Liebespaar wären. Wieder freute sich meine Bezugsbetreuerin für mich, wir wurden von Mitarbeitern angelächelt und ich wurde offenbar als sozialer wahrgenommen.
Als ich eine ambulante Therapie gemacht habe, musste ich dort auch einen Fragebogen ausfüllen, der meine allgemeine Zufriedeheit erfassen sollte. Da es mir damals aufgrund einer Schmerz-erkrankung psychisch schlecht ging, beantwortete ich die meisten Fragen auch dementsprechend. Nicht jedoch in dem Bereich Liebe, Partnerschaft und Sexualität. Dort gab ich wahrheitsgemäß an, dass ich in diesen Bereichen sehr zufrieden bin.
Es kam, wie es kommen musste: Bei der Auswertung der Ergebnisse war meine Therapeutin darüber sehr verwundert. Sie fragte mich, ob meine Antworten wirklich der Wahrheit entsprächen. Ich bestätigte ihr dies. Daraufhin sagte sie, dass kaum jemand mit seinem Liebes- und Sexualleben zufrieden sei und hakte nach, ob das wirklich so stimme bei mir. Ich bejahte dies erneut, denke aber, dass sie mir nicht geglaubt hat.
Außerdem hatte ich das Gefühl, dass sie von mir dachte, ich sei in Wirklichkeit unzufrieden und würde es mich nur nicht zuzugeben trauen, weil ich genau weiß, dass ich mit meiner geringen sozialen Kompetenz und meinem schlechten Selbstwertgefühl Probleme auf dem Partnermarkt bekommen würde. Hätte sie mich wirklich ernst genommen, dann hätte sie nicht so sonderbar darauf reagiert und freundlich interessiert nachgefragt. Aber wie so viele Menschen ging sie automatisch davon aus, dass man ohne Partner nicht glücklich sein kann.
Ein paar Jahre später habe ich das Thema bei einer anderen Therapeutin von mir aus angesprochen. Ich habe sie gefragt, warum ich mich nicht verlieben kann und warum es Menschen gibt, die kein Interesse an einer romantischen Partnerschaft haben. Ihre Antwort dazu war: „Weil sie vermutlich nie von ihren Eltern geliebt worden sind und somit nicht wissen können, was Liebe ist.“
Daraufhin habe ich erwidert, dass die Eltern-Kind-Liebe doch etwas ganz anderes als die partnerschaftliche Liebe ist, doch dazu sagte sie nur, dort werde der Grundstein zur Liebesfähigkeit gelegt. Als würde sich die Liebesfähigkeit eines Menschen nur und ausschließlich in romantischen Partnerschaften zeigen!
Wegen dem psychotherapeutischen Hang zur Pathologisierung von Orientierungen abseits der Norm ist es wirklich schwierig, mit Therapeuten oder Psychologen über dieses Thema zu sprechen. Ich wünsche mir, dass Aromantik von dieser Berufsgruppe endlich als eigenständige romantische Orientierung anerkannt wird, denn gerade im geschützten Raum einer Psychotherapie ist es wichtig, auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen und diese in ihren Gefühlen ernst zu nehmen.
Anonym
Ein Erfahrungsbericht einer asexuellen Aromantikerin über das Heranwachsen ohne Interesse an romantischer Liebe und Sex.
Eines vorweg: Ich habe autistische Züge und war somit sowieso immer schon etwas anders als die anderen. Jedoch gab es in der Pubertät noch zusätzliche Schwierigkeiten, die ich als typisch für
aromantische und asexuelle Menschen bezeichnen würde.
Als Grundschulkind war noch alles relativ normal für mich. Typische vorpubertäre Spielchen, wie z.B. mit meiner damals besten Freundin einen gleichaltrigen Jungen festzuhalten und zu küssen, habe
ich mitgemacht und mir nichts Sexuelles oder Romantisches dabei gedacht, es war einfach nur Spaß.
Es ist wohl bei fast jedem Kind so, dass diese Dinge in dem Alter noch nichts zu bedeuten haben.
Schwierig wurde es erst gegen Ende der 5. Klasse. Eine Klassenkameradin erzählte mir, sie habe bereits einen Freund und auch schon Petting mit ihm gehabt. Ich weiß nicht, ob das wirklich so war
oder ob sie das nur zu mir gesagt hat, um anzugeben. Jedenfalls war mir damals bewusst, dass sie für ihr Alter schon sehr frühreif war. Ich bin damals davon ausgegangen, dass es sich bei mir auch
noch entwickeln wird, nur halt später. Das ganze Thema (also Liebe und Sex) erschien mir noch sehr weit entfernt. Aber ich habe mich damit nicht unter Druck setzen lassen, ich dachte, dass alles
schon zu seiner Zeit kommen wird.
Im Alter von 12 Jahren lag ich mehrere Monate lang im Krankenhaus und habe während dieser Zeit gar nicht über solche Dinge nachgedacht. Danach kam ich automatisch wieder mehr mit dem Thema in
Berührung. Viele meiner Freunde hatten in der Zwischenzeit schon eine oder mehrere Beziehungen hinter sich – ich hingegen nicht.
Als ich 13 Jahre alt war, fing es langsam an, dass ich mich gefragt habe, ob es normal ist, dass ich anscheinend gar kein Bedürfnis nach einer romantischen Beziehung habe. Ich habe auch überlegt, ob es mit meiner Krankheit (chronisches Erschöpfungssyndrom und daraus resultierende kognitive und seelische Entwicklungsverzögerung) zusammenhängen könnte. In meinem Innersten bin ich aber davon überzeugt, dass meine aromantische Orientierung nichts mit meiner Krankheit zu tun hat.
In dem Alter kannte ich einen Jungen, der sich eine Beziehung mit mir gewünscht hat. Ich mochte ihn und habe ihn anfangs fälschlicherweise ebenfalls für aromantisch gehalten, weshalb mich dieser
Wunsch verwirrte. Nach meiner Absage war er nicht mehr so nett zu mir und hat mich auch einmal ohne Grund getreten, worüber ich mich sehr gewundert habe.
Ein paar Monate später hatte er eine Freundin, die aber kurz danach bereits Schluss machte.
Daraufhin hat er sich irgendwoher Alkohol besorgt und sich betrunken. Er erzählte, dass das für ihn in dem Moment die einzige Möglichkeit wäre, klarzukommen, weil er mit der Trennung nicht
zurechtkam.
Ich konnte sein Verhalten gar nicht fassen und konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass Liebeskummer einen Menschen so sehr runterziehen kann. Aus dem Grund konnte ich ihm auch schlecht mein Mitgefühl zeigen, obwohl ich ihn mochte. Ich konnte seinen Liebeskummer einfach nicht nachempfinden.
Ich glaube, dass ich es mittlerweile könnte, weil ich sehr viel über dieses Thema gelesen habe.
Im Laufe der Zeit bemerkte ich, dass meine gleichaltrigen Freundinnen immer „komischer" wurden.
Sie haben sich vermehrt für schöne Kleidung, Schminke, Styling, bestimmte Verhaltensweisen und natürlich auch für Jungs oder Mädchen (ob jemand von ihnen lesbisch oder bisexuell ist, weiß ich
nicht, weil ich mich nicht über diese Themen unterhalten habe) interessiert.
Unglücklicherweise dachte ich noch sehr lange Zeit, dass sie das nur machen, weil es angeblich normal ist, sich so zu verhalten. Ich habe wirklich gedacht, dass alle meine Freunde sowie auch mein
Bruder ebenfalls asexuell und aromantisch sind. Diese Wörter kannte ich zwar damals noch nicht, aber ich habe so empfunden und dachte, dass es vollkommen normal wäre, so zu empfinden.
Während meine Freundinnen sich immer stärker veränderten, blieb ich ein „Kind“ – meine Mutter sagte mir später, dass ich mit 12 Jahren in meiner Entwicklung „stehengeblieben“ sei. Ich hatte daher
den Ehrgeiz, auch wie die anderen zu werden, um nicht mehr als das „zurückgebliebene Kind“ angesehen zu werden. Doch das gelang mir nicht. Diese ganzen typisch pubertären Interessen haben mich
einfach nur gelangweilt.
Ich verstehe bis heute nicht, was daran so spannend sein soll. Im Laufe der Zeit bekam ich immer größere Minderwertigkeitskomplexe. Zwar nicht nur wegen diesem Thema, doch es hatte einen großen
Anteil daran, weil meine Verhaltensweisen nun mal nicht normal waren für jemanden, der sich in der Pubertät befindet.
Als dann mein jüngerer Bruder in die Pubertät kam, fühlte ich mich immer mehr wie ein Außenseiter. Mein Bruder erlebte während seiner Pubertät eine heftige Zeit, er hatte deshalb auch viel Streit
mit unseren Eltern. Trotzdem sagten meine Eltern eines Tages zu mir, dass ihnen die Eskapaden meines Bruders immer noch lieber seien als das, was ich mache bzw. in dem Fall nicht mache. Ich hatte
auch viel Stress mit meinem Bruder, weil er sich für mich geschämt hat.
Noch heute ist es mir unangenehm, wenn er mich fragt, ob ich in einer Partnerschaft bin. Ich greife dann meistens zu Notlügen. Vielleicht werde ich mich ihm gegenüber aber bald outen, da er mittlerweile ja auch reifer geworden ist.
Meine Freundinnen haben sich nach und nach immer mehr von mir abgewandt. Wir haben uns damals um Ponys gekümmert, die von ihren Besitzern vernachlässigt worden waren. Wir fanden diese Aufgabe
sehr wichtig und sie hat uns auch Spaß gemacht. Doch im Laufe der Zeit bin ich oft alleine dort hingefahren, weil meine Freundinnen immer weniger Interesse an den Tieren zeigten. Sie hingegen
wollten mich dazu überreden, mit ihnen in die Disco oder auf Partys zu kommen und mich „reifer“ und vor allem „mädchenhafter" zu verhalten, was ich aber immer abgelehnt habe.
Im Alter zwischen 14 und 15 zerbrachen diese Freundschaften nach und nach. Ob das an meinem autistischen Verhalten, an meiner chronischen Müdigkeit, an meiner Entwicklungsverzögerung oder an der Aromantik lag, weiß ich bis heute nicht. Ich vermute aber, dass es eine Kombination aus allem war.
Von früher kannte ich noch ein Mädchen, welches leicht geistig behindert ist, zu dem ich aber schon seit 5 Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Eines Tages haben sich unsere Mütter zufällig beim
Einkaufen getroffen und ihre Mutter hat meiner Mutter erzählt, dass sie mich gerne mal wiedersehen würde. In der Hoffnung, dass sie nicht so intolerant wie die anderen ist, habe ich dieses
Angebot angenommen und mich mit ihr wieder angefreundet. Diese Freundschaft hielt dann auch sehr lange.
Jedoch wunderte sie sich auch oft darüber, dass ich keinen Partner und keinen Sex will. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt entdeckt, dass sie bisexuell ist und war so glücklich darüber, dass sie ihre
Freude darüber mit mir teilen wollte. Doch leider konnte ich damit nichts anfangen. Ich erklärte es ihr so gut ich konnte, weil ich ja damals die entsprechenden Wörter noch nicht kannte. Ich
sagte ihr, dass ich auf „gar nichts" stehe und sie akzeptierte es, konnte es jedoch nicht nachvollziehen. Immerhin war das für sie aber kein Grund, unsere Freundschaft zu beenden.
Mit 15 kam ich auf eine neue Schule und kannte dort noch niemanden. Leider wurde ich dort sehr schnell zum Außenseiter und wurde deswegen gemobbt. Aufgrund meiner Andersartigkeit haben sich alle
von mir abgewandt, was mir sogar ganz recht war, denn so konnte wenigstens keiner versuchen, mir einzureden, dass ich krank sei. Unter dem Mobbing habe ich dennoch gelitten. Als dann ein paar
Monate später ein Junge auf unsere Schule kam, hat er versucht, das Mobbing zu unterbinden.
Danach passierten Dinge, die ich nicht einordnen konnte. Als ich ihn mal zufällig beim Einkaufen traf, war er sehr freundlich zu mir. Danach in der Schule auch noch. Doch eines Tages haben die Leute, die mich gemobbt haben, mit ihm geredet. Worüber weiß ich nicht, jedenfalls war er danach im negativen Sinne total verändert.
Er fing auch an mich zu mobben, stellte das jedoch so dar wie dieses Spiel Was sich liebt, das neckt sich. Da ich davon schon mal was gehört hatte,
machte ich einfach mit. Ich dachte mir, wenn er tatsächlich was von mir will, könnte ich versuchen, das in eine Freundschaft umzuwandeln.
Zugegebenermaßen war es mir damals auch wichtig, einen Beschützer gegen die Mobber zu haben.
Aber wie ich dann feststellen musste, waren seine Neckereien kein Ausdruck seiner Verliebtheit, sondern er wollte mich wirklich nur ärgern. Daraufhin bin ich ihm konsequent aus dem Weg gegangen.
Außer, dass er mich von weitem beleidigt hat, kam dann auch nicht mehr viel.
Danach hatte ich fast ausschließlich Kontakt zu meiner geistig behinderten Freundin. Ich brauchte dringend Abstand von den „Normalen". Bei meinem Hobby, dem Reiten, hatte ich jedoch noch
oberflächliche Kontakte zu anderen Jugendlichen, die aber meist jünger waren als ich und nicht viel über mich wussten, was mir auch ganz recht war.
Mit 16 war ich im Reiturlaub und auch dort handelten die Gespräche nachts fast nur von dem Thema „Liebe", was mich ehrlich gesagt richtig genervt hat, denn ich wollte wenigstens im Urlaub meine Ruhe vor dem Thema haben! Dort prahlte ein gerade mal 11-jähriges Mädchen damit, dass sie schon so gut wie zusammen mit einem gleichaltrigen Jungen sei. Ein 14-jähriges Mädchen hat viel von ihrem Freund erzählt, was alle außer mir sehr interessant fanden.
Irgendwann fiel das Gespräch dann auf mich und ich wurde gefragt, ob ich einen Freund habe. Ich antwortete, dass ich keinen habe und auch keinen haben will. Doch das wollte mir keiner glauben.
Sie ließen nicht locker mit ihren Fragen. Immer kam das Argument: „Du bist doch schon 16, da muss man doch mal langsam Interesse an sowas haben!" oder „Wir hatten gedacht bzw. gehofft, dass wir
uns mal mit einer Erfahreneren über dieses Thema unterhalten können." Aber zum Glück haben sie mich trotzdem akzeptiert. Auf Klassenfahrten war dieses Thema viel schlimmer.
An anderen Orten, wo Jugendliche waren, wurde ich aufgrund meines Aussehens meistens sowieso für jünger gehalten. Manchmal kamen dumme Sprüche, vor allem, wenn ich mit meiner geistig behinderten
Freundin abends unterwegs war. Da wurden wir von wildfremden Jugendlichen gefragt, ob wir schon mal gefickt worden sind, und das, obwohl meine Freundin ja gar nicht asexuell ist.
Aber wahrscheinlich taten sie das, weil man ihr ansieht, dass sie behindert ist und man dann automatisch davon ausgeht, dass sie keinen Sex hat bzw. ihr diesen nicht gönnt. Das ist in meinen
Augen auch stark diskriminierend.
Als ich 18 Jahre alt war, lernte ich eine Gruppe von Jugendlichen im Alter von 14-18 Jahren kennen. Dies waren aber nicht meine Freunde, sondern Mitglieder einer Gruppe, zu der ich regelmäßig
ging. Eigentlich habe ich mich gut mit denen verstanden, aber bei den Themen „Liebe" und „Sex" gab es wieder die üblichen Probleme. Wieder dachten die meisten von ihnen, dass ich das doch will
und mich nur nicht traue. Da ich damals krankheitsbedingt auch nicht gut aussah, meinten manche auch, dass mich keiner will, weil ich zu hässlich bin. Insbesondere die gleichaltrigen Jungen
sagten das oft.
Somit wurde ich überredet, mich schminken zu lassen (das erste Mal in meinem Leben) und mir schöne Klamotten anzuziehen. Ich habe es einfach mitgemacht, weil es ja nichts Schlimmes ist. In diesem
„Zustand" sind wir dann weggegangen und ich fühlte mich sehr unwohl und hässlich damit. Danach habe ich mich nie wieder geschminkt.
Das Schlimme an der Sache war, dass diese Gruppe speziell für Jugendliche mit sozialen Ängsten gedacht war und man ihnen dort eigentlich mehr Selbstvertrauen beibringen wollte. Bei mir war es
jedoch so, dass man mich dort unbedingt „normal“ machen wollte, obwohl ich kein Problem mit mir selbst hatte, sondern nur mit der Gesellschaft, die mich nicht akzeptierte. Selbst die Pädagogen
dort wollten mich dazu bringen, mir einen Freund zu suchen.
Irgendwann war ich nur noch genervt und habe gesagt, dass andere ihren Freund oder ihre Freundin als Hobby haben und ich eben immer noch die Pferde. Ich betonte absichtlich, dass Pferde meine
Beziehung seien, um die Leute zu provozieren. Allerdings ging der Schuss nach hinten los und ich wurde nun erst recht nicht mehr ernstgenommen – zum Schluss wurde mir sogar eine Zoophilie
angedichtet!
Mit einem Mädchen aus der Gruppe habe ich mich privat angefreundet. Sie war 3 Jahre jünger als ich und hatte damals noch nicht so ein starkes Interesse an Sex und Liebe. Je älter sie wurde, desto
schwieriger wurden unsere Gespräche allerdings, weil das Thema für sie immer mehr an Bedeutung gewann.
Ich verheimlichte ihr, dass ich asexuell und aromantisch bin, weil ich wegen meines höheren Alters eine Vorbildfunktion hatte und Angst bekam, diese durch mein Outing wohlmöglich zu verlieren. Stattdessen habe ich mir einfach irgendetwas ausgedacht und ihr erzählt. Überprüfen konnte sie es sowieso nicht, weil wir nicht in derselben Stadt wohnten und uns somit nicht oft sahen. Meistens telefonierten wir nur.
Als ich 19 war, habe ich eine Art Ausbildung angefangen. Dort hatte ich einen Kollegen, mit dem ich zufällig den gleichen Anfahrtsweg mit dem Bus hatte. Wir haben uns immer unterhalten und er war
dabei sehr nett.
Eines Tages hat er mich auf einen Kaffee eingeladen und ich habe dem zugestimmt. Jedoch wusste ich nicht, ob es sich dabei um einen Flirtversuch handelte oder nicht. Ich weiß nicht, ob ich solche Sachen wegen meinen autistischen Zügen oder wegen meiner Aromantik schlecht beurteilen kann. Da er ein paar Tage später aber seinen Arbeitsplatz verlor, konnte ich das auch nicht mehr klären.
Im Alter von 24 wollte dann wieder jemand eine Beziehung zu mir. Damals konnte ich mich ganz gut davon abgrenzen und wir wurden nur Freunde, was auch gut so war. Gestört hat mich nur das Gerede der Leute, dass wir eine Beziehung hätten und ich es mich nur nicht zuzugeben traue. Diese Leute konnten sich nicht vorstellen, dass eine Frau etwas mit einem Mann unternehmen kann, ohne dabei in einer romantischen Beziehung mit ihm zu sein.
Ein paar Jahre später allerdings ging es mir gesundheitlich so schlecht, dass ich dringend etwas brauchte, womit ich mich entspannen konnte. Zu diesem Zeitpunkt lernte ich zufällig einen Mann
kennen, der in erster Linie Sex mit mir haben wollte und erst in zweiter Linie eine Beziehung. Er suchte sehr intensiv den Kontakt zu mir. Ich habe ihm gesagt, dass ich kein Bedürfnis nach Sex
und auch nicht nach einer Beziehung habe, doch er nahm es nicht ernst.
So kam es, dass er mir so einen Mist erzählte, wie „er könne mich von meinen Schmerzen heilen" (dreimal dürft ihr raten womit). Ich habe ihn dann auch an mich rangelassen, aber nichts empfunden
dabei. Weil ich wissen wollte, warum das so ist, habe ich gegoogelt und das deutsche Forum für Asexualität (AVEN.de) gefunden. Ich las nur kurz darin, habe mich aber ziemlich schnell in den
Beschreibungen und den Berichten der User wiedergefunden.
Dann habe ich diesem Mann davon erzählt, aber seine Worte waren nur: „Sowas gibt es vielleicht bei gesunden Menschen, aber du bist ja krank. Du brauchst Sex, damit du besser gesund werden
kannst." Ich habe ihm erklärt, dass dem nicht so sei und wenn er Asexualität akzeptiere, dann solle er diese auch nicht bestimmten Menschen absprechen. Doch leider hat er mir nicht geglaubt und
mir weiter eingeredet, dass ich Sex bräuchte. Nach einiger Zeit hat er jedoch gemerkt, dass mich der Sex wirklich kalt lies und hat daraufhin den Kontakt zu mir abgebrochen.
Ein Jahr später lernte ich einen anderen Mann kennen, dem es wohl vordergründig um eine Beziehung mit mir ging. Jedoch habe ich auch danach kein Bedürfnis. Ich hätte gerne eine Freundschaft mit
ihm gehabt, aber das war dann wegen einer gravierenden Meinungsverschiedenheit, die allerdings nichts mit dem Thema Asexualität und Aromantik zu tun hatte, von meiner Seite aus nicht mehr
möglich.
Heute denke ich, dass es einerseits schade ist, aber andererseits, falls wir uns angefreundet hätten, stünde vermutlich immer zwischen uns, dass er ja eigentlich eine Beziehung und keine Freundschaft mit mir wollte. Während dieser Zeit habe ich viel mit einer älteren Frau, zu der ich einen mütterlichen Kontakt hatte, über das Thema „Asexualität" gesprochen. Sie hat es jedoch nicht verstanden und meinte dazu nur, dass zu einer Beziehung nun mal auch Sex dazugehöre und dass ich mal überlegen solle, ob ich vielleicht ein unverarbeitetes Trauma habe.
Mittlerweile verhalte ich mich so, dass ich von vornherein deutlich mache, dass ich keine Beziehung will. Jedoch ist mir auch noch mal ein Fehler unterlaufen: Ich habe jemandem erzählt, dass ich
Minderwertigkeitskomplexe habe, weil ich keinen Partner habe und meinte damit eigentlich Minderwertigkeitskomplexe wegen meiner Aromantik. Da er vermutlich nicht weiß, dass es solche Menschen wie
uns gibt, hatte er das als Sehnsucht meinerseits nach einem Partner missverstanden.
Aber darüber kann ich nur mutmaßen, weil er sich irgendwann sehr komisch verhalten hat. Ich hoffe, dass es nicht wegen meiner Aromantik war, mache mir aber immer noch Gedanken deswegen. Immerhin
können es die Nicht-Aromantiker ja gar nicht nachvollziehen, dass jemand sagt, er habe das „Bedürfnis" nach einem Partner, weil er nicht „unnormal“ sein will und nicht, weil er aus sich selbst
heraus das dringende Bedürfnis nach einem romantischen Partner verspürt.
Da muss ich unbedingt noch an mir arbeiten und genauer aufpassen, was ich wem wie sage!
Ich habe mir generell vorgenommen, nicht mehr mit nicht-aromantischen und nicht-asexuellen Personen über mein Sex- und Beziehungsleben zu reden. Nicht einmal mit Ärzten mache ich das mehr, weil
ja viele diese Sachen immer noch als psychische Störung ansehen, die geheilt werden muss…
So besteht ein Teil meines Lebens auch aus Lügen. Aber wenn diese Menschen mit der Wahrheit nicht umgehen können, haben sie es auch nicht anders verdient. So traurig es ist: Aufklärung bringt bei
manchen Menschen einfach nichts!
Schon als Jugendliche habe ich versucht, meine Mutter über diese Themen aufzuklären, weil sie sich diesbezüglich schon über mich lustig gemacht hatte. Dabei habe ich fast dieselben Formulierungen benutzt, die auch im Asexuellen-Forum AVEN benutzt werden, obwohl es damals das Forum noch nicht gab und ich zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas über diese Themen erfahren hatte. Aber ich wusste intuitiv, dass diese Orientierungen normal sein können und dass es wahrscheinlich noch andere gibt, die so empfinden.
Als ich mich vor etwa zwei Jahren im AVEN-Forum angemeldet habe, war ich erstaunt, dass es doch relativ viele asexuelle Menschen gibt. Aromantiker gibt es wohl nicht so viele, aber ich war
erleichtert, dass es dennoch welche gibt und ich mit meiner Orientierung nicht alleine bin.
Leider habe ich dieses Wissen erst sehr spät erfahren, mir wäre es lieber gewesen, ich hätte es schon als Jugendliche gewusst. Das hätte mir wohl sehr geholfen. Ich finde, dass Aufklärung in
diesem Bereich sehr wichtig ist, gerade für junge Menschen.
Inzwischen bin ich über 30 und kann ganz gut mit meinem Anderssein umgehen.
Anonym
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